Spät, aber nicht zu spät habe ich F.C. Delius entdeckt. Und zwar durch den Roman „Mein Jahr als Mörder“ Das Buch ist zugleich Geschichtsunterricht wie auch ein packendes persönliches Drama. Eine Michael Kohlhaas Story bei der man selbst heute noch so wütend wird, dass man schreien könnte. Das dritte Reich lebte noch 20-30 Jahre nach 1945 einfach in den Köpfen weiter und alle haben geschwiegen. Was ich an Delius bewundere ist sein Historikerwissen, gepaart mit einem profunden philosophischen Denken. In seinem letzten Roman, verwickelt er drei Liebesgeschichten aus völlig unterschiedlichen Zeiten, Kampfzonen und Gesellschaften.
Vom hochadeligen europäischen Königshäusern zur deutschen Marine bis zum betulichen Gutsbesitzerdasein in der deutschen Provinz. Alle drei Geschichten werden durch die Suche einer Frau, die sich im Jahre 1969 auf den Weg nach Den Haag begibt zusammengehalten und, sagen wir, vereinheitlicht. Irgendwie recherchiert sie immer tiefer ihre eigene Vergangenheit und entdeckt schließlich, dass sie tatsächlich quasi adelig ist, zwar einem königlichem Seitensprung geschuldet, doch anerkannt. Was hat also ein König der Niederlande, mit einer mecklenburgischen Adelsfamilie, der kaiserlichen U-bootflotte, die bekennende Kirche in der Nazizeit mit dem beklemmenden Gefühl einer Ehe, die nach Erwachsenwerden der Kinder nun auf dem Prüfstand steht, gemeinsam? Marie! Sie ist es, die alles zusammenführt, die nicht aufhört nachzudenken und nun im Aufschreiben von Geschichten, eben auch ihrer Eigenen eine neuen Platz im Leben findet. Gut!
Friedrich Christian Delius: Die Liebesgeschichtenerzählerin.
Rowohlt, März 2016.
208 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.