Fabricio Gatti: Der amerikanische Agent: Tatsachenroman

Er nennt sich Simone Pace. Nach dreißig Jahren im Geheimdienst bietet er dem Journalisten Fabrizio Gatti Informationen an. Die Interviews finden natürlich in der Heimlichkeit statt, denn der Italiener leidet unter Verfolgungswahn. Unter anderem. Sein Gewissen leidet unter den erworbenen Einblicken. Sie haben sein Weltbild vollständig verändert.

„… Krieg ist eine ansteckende Geisteskrankheit. Sie verhindert, dass Konflikte durch Worte gelöst werden. Sie befällt die Regierenden und ihre Anhänger. … Die Regierenden, die davon befallen sind, werden … nicht in Quarantäne genommen. … Wenn der Krieg eine … Bevölkerung befällt, nennt man deren Reaktion Verteidigung.“ (S. 273)

Der Journalist und Autor Fabricio Gatti erhielt 2007 den Europäischen Journalistenpreis für seine Recherche als Illegaler, der den Weg nach Europa geschafft hatte. 2008 erschien hierzu sein Buch.

Seinen aktuellen „Tatsachenroman: Der amerikanische Agent“, übersetzt von Friederike Hausmann und Rita Seuß, widmet er allen Opfern politischer Gewalt.

Fabrizio Gatti fokussiert über die Schilderungen des Simone Pace, wie sein Weg als Agent begann und er im Laufe von drei Jahrzehnten Einblicke in die Methoden der CIA gewonnen hat. Seine Handlangerdienste bestanden anfangs aus der Beschaffung von Informationen, die er als Polizist leicht gewinnen konnte. Das schnell verdiente Geld gefiel ihm genauso gut wie die angenehmen Aufgaben. Doch die damit einhergehende, schleichende Abhängigkeit katapultierte ihn bei Mord und Folter in Gewissenskonflikte.

In einer römischen Kirche gab er unzählige Interviews. Entstanden ist eine Mischung aus Reportage und Entwicklungsroman, über die der Einfluss der CIA in vielen Ländern deutlich wird. Die Drohung, sie seien überall vertreten, könnte man als Leser wörtlich nehmen. Wo früher an strategischen Schlüsselpositionen Mitarbeiter angeworben wurden, übernimmt heute der Kollege Computer die Arbeit. Viele Details eines Agentenlebens wurden bereits in einschlägigen Thrillern und James Bond-Filmen gezeigt. Die allgemeine Durchsetzung eines Geheimdienstes dagegen wird mit Gattis Roman in den Vordergrund gestellt und auch die Schlussfolgerung, wie sich Ängste, einem Krankheitserreger ähnlich, ausbreiten. Die Opfer sind zahlreicher, als man glauben möchte.

Die Geschichte eines heimlichen Terrors schickt den Leser in einen gedanklichen Prozess, der sich unvoreingenommen am besten erschließt. Ein Thriller will unterhalten, Gattis Tatsachenroman will die Tragweite offenbaren.

Fabricio Gatti: Der amerikanische Agent.
Verlag Antje Kunstmann, März 2020.
400 Seiten, Gebundene Ausgabe, 25,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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