David James Poissant: Sommerhaus am See

Wer auf psychologisch glaubhafte und gut durchdachte Familiendramen steht – so wie sie etwa Jonathan Franzen oder Richard Ford bis zur Perfektion beherrschen -, der sollte sich einen neuen Namen auf seine Leseliste nehmen: David James Poissant. Der Amerikaner seziert in seinem Debütroman „Sommerhaus am See“ sechs Menschen, die ein gemeinsames Wochenende in einem Ferienhaus verbringen.

Da gibt‘s etwa den aggressiven Säufer, der sich seine Sucht nicht eingestehen will, den homosexuellen Drogenabhängigen, der die häufigen Seitensprünge seines Partners nicht verkraftet, oder die Schwangere, die ihr Kind behalten will, obwohl sie mit ihrem Partner vereinbart hat, kinderlos zu bleiben.

All diese Figuren leiden auf unterschiedliche Weise – aber sie leiden, und zwar so, dass sich der Leser sehr gut in sie hineinversetzen kann und sie greifbar werden.

Sich sechs unterschiedlichen Personen derart detailliert zu nähern, wie es Poissant tut, birgt die Gefahr der Langatmigkeit. Doch dem Autor gelingt es, diese Klippe zu umschiffen: Sein Roman bleibt spannend und kurzweilig.


Über allem lastet ein Unglück gleich zu Beginn des Romans: Ein fremder Junge ertrinkt, und unsere Protagonisten müssen es mit ansehen. Dieser Kniff gibt dem Roman zusätzlich zu den menschlichen und zwischenmenschlichen Abgründen, mit denen die Figuren zu kämpfen haben, Düsternis und Schwere.
Aber auch so etwas wie Humor scheint gelegentlich durch. Als es darum geht, den Seitensprung ihres Mannes aufzudecken, entwickelt eine Frau einen detektivischen Spürsinn, der sogar Miss Marple vor Neid erblassen lassen würde.

Enttäuschend ist jedoch das Ende, weil es nicht zum Duktus und zur Stimmung des vorherigen Textes passt. Hier muss der Autor aufpassen, dass ihm das Ganze nicht ins Seifenoper-Fach abgleitet.

David James Poissant: Sommerhaus am See
Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Sibylle Schmidt
btb, April 2024
384 Seiten, Paperback, 16 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.

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