„… Lassen Sie uns damit anfangen, worum es eigentlich geht, wenn wir über Quanteninformatik sprechen … ein Quantencomputer, falls wir es schaffen, ihn zu konstruieren,“ kann „…Zahlen wesentlich schneller faktorisieren … als ein klassischer Computer. …“ Der „… würde für das Faktorisieren einer fünfzigstelligen Zahl mehr als zehn Millionen Jahre brauchen. Der Quantencomputer dagegen würde das Problem in weniger als einer Sekunde lösen.“ (S. 252)
John Vandel und Li Zian arbeiten in führender Position beim amerikanischen beziehungsweise chinesischen Geheimdienst. Beide haben schon einige Konkurrenzkämpfe innerhalb ihrer Behörden überstanden und glauben an ihre eigene Klugheit und Überlegenheit. Als ein amerikanisches Start-up-Unternehmen glaubt, die nächste Computergeneration, den Quantencomputer, in absehbarer Zeit bauen zu können, befindet sich der chinesische Geheimdienst im Alarmzustand. Zum Glück berichtet ihr Maulwurf beim CIA regelmäßig über den aktuellen Stand der Forschung.
Aber auch John Vandels Abteilung ist besorgt, nachdem sie über einen chinesischen Wissenschaftler von dem Leck in den eigenen Reihen erfährt.
Der Wettlauf um die Informationshoheit geht in eine neue Runde, bei dem jeder Eingeweihte zu einer Schachfigur von John Vandel und Li Zian wird.
Der 1950 geborene Autor und Journalist David Ignatius ist ein preisgekrönter Kolumnist und Mitherausgeber der Washington Post. Er gilt als Spezialist unter anderen für das Thema Geheimdienste und zählt zu den renommiertesten politischen Journalisten. Sein Roman der Mann, der niemals lebte, wurde von Ridley Scott verfilmt. Sein jetziger Spionageroman, übersetzt von Stefan Lux, könnte ebenfalls als Kinofilm verarbeitet werden, zumal sein Thema Cyber-Hoheit hochaktuell ist. Der Autor zeigt mit Hilfe von Dialogen die Arbeitsweise der Geheimdienste, die sich selbst und andere täuschen. Man könnte sein Werk auch als ein Kammerspiel betrachten, in dem der Kampf zwischen Gut und Böse schon lange erledigt ist. Denn an allen Händen klebt Blut und Schuld.
Wenn es auf den letzten 100 Seiten um die größte Niederlage oder den größten Spionageerfolg der Akteure John Vandel und Li Zian geht, treten die Dialoge in den Hintergrund. Jetzt ist es Zeit zu handeln, schnell und effektiv. Alles steht und fällt mit den Fragen: Wem gehört die Macht über alle Informationen? Was bedeutet Loyalität und Moral, wenn einer der Agenten, ein gebürtiger Amerikaner mit chinesischen Wurzeln zur Spielfigur geworden ist? Recht und Unrecht bleiben hier eine Frage der Perspektive und Überlegenheit.
David Ignatius: Quantum Spy: Der Feind im System.
Rowohlt, November 2019.
448 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.