Der Autor Charlie Gilmour ist der Adoptivsohn von David Gilmour, dem britischen Musiker und Bandmitglied der Rockgruppe Pink Floyd. Charlie Gilmour ist Jahrgang 1989 und wuchs in London und Sussex auf. Auch heute lebt er in London und schreibt für Zeitungen und Magazine. Die Geschichte über eine Elster, die er und seine Frau Yana liebevoll aufgenommen und aufgepäppelt haben, wurde zu einem Medienereignis in Großbritannien, nachdem die BBC darüber eine Dokumentation gedreht hatte.
Weil das Gefieder der kleinen Elster wie Benzol schimmert, geben Charlie und Yana dem Vogel den Namen Benzene. Von seinen Menscheneltern liebevoll zubereitet, frisst Benzene Würmer und Maden, die ihm anfangs aufopfernd und aufwändig alle zwanzig Minuten angeboten werden. Später versteckt Benzene das Fressen auch schon mal zwischen irgendwelchen Ritzen im Zimmer oder den Haaren der Pflegeeltern. Nichts scheint Yana und David zu viel zu werden, was die Beziehung zu der Elster immer enger werden lässt. Stets sind die beiden um das Wohl des Vogels bedacht. Sogar während ihrer Hochzeitsvorbereitungen und dem späteren Fest sorgen sie sich um das Tier. Die Klugheit Benzenes verblüfft und fasziniert alle. Benzene wird größer und lernt zu fliegen. Als die Zeit gekommen ist, dem Vogel die Freiheit in der Natur zurückzugeben, hat besonders für Charlie mit einer nervenaufreibenden Phase zu kämpfen. Schließlich hat er sein gesamtes Leben für Benzene umgekrempelt und seine eigenen den Bedürfnissen der Elster untergeordnet. Doch kaum draußen in der Natur, beweist die Elster wieder, dass sie ihre ganz eigenen Vorstellungen von ihrem Leben und der Freiheit hat.
Hinter dem Zusammenleben mit der Elster und Charlies Fürsorge um das Wohl des Vogels verbirgt sich noch eine weitere Geschichte: Charlies leiblicher Vater Heathcote, ein aus der Welt gefallener Künstler, hatte ebenfalls einmal einen kleinen Rabenvogel bei sich aufgenommen. Charlie nimmt deshalb wieder Kontakt zu Heathcote auf. So versucht er gleichzeitig das sehr schwierige Vater-Sohn-Verhältnis zu verstehen und aufzuarbeiten. Dabei beschäftigt Charlie sich nicht nur mit der Vergangenheit und seiner Herkunft, sondern gleichsam mit der Zukunft. Wie stark sind die Gene von seinem leiblichen Vater, der sich einst aus seinem und dem Leben seiner Mutter einfach davongestohlen hatte, in ihm ausgeprägt? Seine Gedanken drehen sich weiter um sein gemeinsames Leben mit Yana und allen Forderungen und der Verantwortung, die mit der Partnerschaft einhergehen.
Sensibel und anrührend geschriebene erstaunliche Story.
Charlie Gilmour: Elsterjahre: Wie ein kleiner Vogel mein Leben veränderte.
Aus dem Englischen übersetzt von Christel Dormagen.
Rowohlt, August 2021.
320 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.