Barbi Marković legt mit Stehlen, Schimpfen, Spielen keinen klassischen Roman vor, sondern ein autobiografisches Essay, das sich mit dem Schreiben und dem Leben im Allgemeinen auseinandersetzt.
Inhalt und Stil
Marković macht das Stehlen – verstanden als kulturelle Unverschämtheit – zum literarischen Programm. Sie schildert, wie es dazu kam, dass sie sich das Aneignen von Ideen und Motiven – zum Beispiel von Thomas Bernhard – zu eigen gemacht hat, und reflektiert, warum ihr trotz offener „Piraterie“ die Originalität nie abgesprochen wurde. Im Zentrum stehen zudem die Kraft und der Rhythmus einer guten Schimpftirade, Machtverhältnisse, selbst auferlegte Regeln und die Distanz zwischen Autorin und Text.
Positive Aspekte
- Viele Sequenzen des Essays sind witzig, originell und intelligent. Markovićs Stil ist geprägt von pointierten, scheinbar einfachen Sätzen, die die absurde Fallhöhe zwischen Alltag und existenziellen Fragen ausloten.
- Die Autorin spielt mit literarischen Formen und Erwartungen. Sie nutzt Techniken wie Textsammlungen und Rollenspiel-Elemente, um neue Perspektiven auf das autobiografische Schreiben zu eröffnen und die Grenze zwischen Autorin und Text zu verwischen.
- Besonders gelungen ist die Reflexion über die Macht des Schimpfens und die Regeln, die sich Schreibende selbst auferlegen, um Objektivität und Distanz zu gewinnen. Dies macht das Buch zu einer inspirierenden Lektüre für alle, die sich für das Schreiben und die Mechanismen literarischer Produktion interessieren.
Kritische Aspekte
- Trotz vieler origineller und humorvoller Passagen gibt es auch Abschnitte, die eher banal wirken. Nicht jede Anekdote oder Reflexion erreicht die gleiche Tiefe oder Originalität, sodass sich zwischendurch inhaltliche Längen oder Wiederholungen einstellen können.
- Der fragmentarische, essayistische Stil verlangt den Leserinnen und Lesern eine gewisse Offenheit ab. Wer einen klassischen Roman mit stringenter Handlung erwartet, wird möglicherweise enttäuscht sein, da das Buch eher lose Gedanken und Beobachtungen aneinanderreiht und weniger auf eine durchgehende Story setzt.
- Einige Passagen wirken wie literarische Fingerübungen oder spontane Notate, die nicht immer den Anspruch erfüllen, über das rein Persönliche hinauszugehen.
Fazit
Stehlen, Schimpfen, Spielen ist ein kluges, oft sehr unterhaltsames und formal originelles autobiografisches Essay, das mit literarischen Konventionen spielt und zum Nachdenken über das Schreiben und das Leben einlädt. Marković überzeugt mit Witz, Intelligenz und Mut zur Eigenwilligkeit, auch wenn nicht jede Passage die gleiche Tiefe erreicht. Wer sich für literarische Experimente und Reflexionen über das Schreiben begeistert, wird an diesem Buch viel Freude haben – sollte aber auch bereit sein, sich auf einige banale oder weniger inspirierende Abschnitte einzulassen.
Barbi Marković hat den Preis der Leipziger Buchmesse 2024 für „Minihorror“ gewonnen.
Barbi Marković: Stehlen, Schimpfen, Spielen
Rowohlt, Mai 2025
144 Seiten, gebundene Ausgabe, 20 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.