Einer der berühmtesten Stummfilme, die heute als verschollen gelten, heißt „Um Mitternacht“ aus dem Jahr 1927. Regisseur war Tod Browning.
Der 1971 geborene mexikanische Autor Augusto Cruz nimmt diesen filmgeschichtlichen Fakt als Ausgangspunkt für einen Roman, in dem er einen Privatdetektiv auf die Suche nach dem verschollenen Streifen schickt.
Immer wieder vermischt der Autor dabei Fakten und Fiktionen, lässt real existierende Personen etwas erleben, das sie im wahren Leben nicht erlebt haben. Darf man das eigentlich? Es ist zumindest bedenklich.
So ist der Auftraggeber des Detektiven der hochbetagte Science-Fiction- und Horrorfan Forrest Ackerman – den gab‘s wirklich. Auch kommt eine Szene mit der längst tot geglaubten Schauspielerin Eleanor Tichenor vor – die spielte wirklich in dem Film mit, und zuletzt landet der Detektiv in dem surrealistischen Märchenschloss Las Pozas im mexikanischen Dschungel. Auch das gibt‘s.
Für Filmfans ist die Schnitzeljagd nach dem verschollenen Streifen reizvoll, allerdings ist sie im Buch nur eine Art Rahmenhandlung. Immer wieder driftet Cruz ab und wendet sich ganz anderen Themen zu, die nichts mit dem gesuchten Film zu tun haben. Seitenlang geht es um die letzten Tage des berühmt-berüchtigten FBI-Chefs Edgar J. Hoover. Auch der mutmaßliche Kennedy-Mörder Lee Harvey Oswald hat seinen Auftritt. Alles hochfaszinierende Stoffe. Nur was haben sie miteinander zu tun? Weniger wäre hier wieder einmal mehr gewesen.
Manchmal bemüht sich der Autor ein wenig zu intensiv um eine gruselige Atmosphäre. Das bewegt sich dann auf einem schmalen Grat zum Lächerlichen und hemmt den Lesefluss.
Augusto Cruz verzichtet bei wörtlicher Rede auf jegliche Interpunktion. Eine ärgerliche Marotte.
Augusto Cruz: Um Mitternacht.
Suhrkamp, Juli 2015.
392 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.