Arezu Weitholz: Hotel Paraíso

Die Auszeit in einem verwaisten Hotel an der Algarveküste wird für eine junge Frau zur Reise zurück in die Kindheit und zum Selbstfindungstrip.

Für ihren im Jahr 2020 erschienenen erfolgreichen Vorgängerroman „Beinahe Alaska“ wurde die Autorin Arezu Weitholz mit dem Hans-Fallada-Preis ausgezeichnet.

Ihr neuer Roman „Hotel Paraiso“ entpuppt sich als kein wirkliches Paradies. Dennoch, das Timing könnte kaum besser passen für die Protagonistin: Frieda hat Probleme in ihrem Beruf, da kommt ihr das Angebot, die Weihnachtszeit in Portugal, in einem Hotel am Meer zu verbringen, gerade recht.

Jetzt, außerhalb der Saison, ist das Hotel Paraiso geschlossen. Während die Besitzerin ihren Urlaub in Asien verbringt, soll das Haus nicht leer stehen, weshalb sie der jungen Frieda den Hotelschlüssel samt ihrem Labrador Otto überlässt.

Frieda kommt die Ruhe im Hotel und an der Küste gelegen. Sie braucht Abstand zu ihrem Job als Synchronsprecherin, der zum Problem geworden ist. Nun ist sie krankgeschrieben, weil ihre Stimme versagt und sie sich nicht mehr in die Figuren hineinversetzen kann. Zudem treibt sie um, dass sie früher oder später möglicherweise durch KI ersetzt werden könnte.

Hier in ihrem neuen Umfeld braucht sie nur die Gedanken von Otto verstehen und lässt sich von ihm durch den menschenleeren Urlaubsort ziehen. Ihren eigenen Gedanken lässt sie dabei freien Lauf. Sie kann sich auf Gegenstände um sie herum und die Natur konzentrieren.

So wird der Schlüssel für das einsame Hotel auch ein Türöffner in die Vergangenheit der jungen Frau. Immer wieder versetzt sie sich in Gedanken in ihre Kindheit zurück, in der sie sich selbst die meiste Zeit fremd gewesen war. Nie fühlte sie sich richtig angekommen, angenommen und wusste nicht warum. Dass sie von den Eltern als Baby adoptiert worden war, erfährt sie erst im Alter von 17 Jahren. Ihre Kindheit fühlte sich für Frieda an wie eine lange Phase des Ausgestoßenseins, eine Zeit, die sie selbst als ein „Sich-in-sich-selber-nicht-zu-Hause-Fühlen“ (S. 153) benennt.

Wir erfahren weiter von Friedas Zuhause, vom Zusammenleben mit den Großeltern, dem Bungalow auf dem Dorf und der Tankstelle, die ihren Eltern gehörte. Vergangenheit und Gegenwart wechseln sich ab. Frieda hinterfragt auch ihre Verbindung zu ihrem Freund Jonas, der Weihnachten bei ihr im Hotel Paraiso verbringen wird.

Schön zu lesen sind Friedas Phantasien, die mit der Welt um sie herum verschmelzen und dabei die Sinne für Eindrücke und Geräusche schärfen. Vor allem Friedas häufige ungewöhnliche Assoziationen mit ihren kreativen Wortschöpfungen sind witzig. So lesen wir etwa von „einer nach Käsecreme klingenden Frauenstimme“ (S. 95) oder dem Kühlschrank in der Hotelküche, den sie treffend als „Silberrücken“ (S. 27) bezeichnet.

Ansprechende, entspannende Lektüre.

Arezu Weitholz: Hotel Paraíso.
mare, August 2024.
176 Seiten, Gebundene Ausgabe, 23,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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