Anja Wedershoven: Im Schatten der Kopfweiden

Ich durfte die Mönchengladbacher Autorin Anja Wedershoven 2013 kennenlernen, als ihr erstes Buch „Schürfwunden“ erschien. Das Romandebüt über die Umsiedlungen im Zusammenhang mit dem Kohletagebau Garzweiler hatte mich fasziniert und begeistert. Daher habe ich mich gefreut, als ich entdeckte, dass jetzt von ihr ein Krimi bei emons erschienen ist.

„Im Schatten der Kopfweiden“ erzählt von dem Mord an einer jungen Kinderärztin, die in Geldern am Niederrhein zwischen Mülltonnen gefunden wurde. In dem Fall ermittelt zusammen mit ihren Kollegen die junge, gerade aus Berlin in ihre alte Heimat zurückgekehrte Kommissarin Johanna Brenner. Ziemlich schnell kommen die Beamten auf die Spur eines Stalkers, der die Kinderärztin verfolgte und sie belästigte. Doch ist das der einzig mögliche Täter?

Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven berichtet, die manchmal etwas unvermittelt wechseln. Da ist einmal die Kommissarin, Johanna, die nicht so ganz freiwillig an den Niederrhein zurückkehrte. In Berlin, wo sie die letzten Jahre verbrachte, hatte es einen dramatischen Vorfall gegeben, der zu ihrer Versetzung führte. Zum anderen verfolgen wir die Handlung aus der Sicht von Axel, Johannas Kollegen, der ihr zunächst offen und freundlich begegnet, nach und nach aber doch auch Vorbehalte entwickelt.

Und dann erleben wir die Ereignisse aus dem Blickwinkel der vierzehnjährigen Leonie, deren Bruder bei der ermordeten Kinderärztin in Behandlung war. Diese hatte wegen einer Auseinandersetzung mit den Eltern um die Medikation des Jungen mit der Einschaltung des Jugendamtes gedroht. Nun fürchtet Leonie, dass auch ihr Vater der Mörder sein könnte. Sie sucht und findet Hilfe bei ihrer besten Freundin.

Dann gibt es noch Uwe Lehmann, der Kinderarzt, der seine Praxis an die ermordete Kinderärztin übergeben hatte und der sich nun eigentlich auf den Ruhestand mit seiner Frau freute. Auch ihm droht Ungemach.

Alle diese Menschen haben ihr Päcklein zu tragen und sind auf die eine oder andere Weise in den Fall verstrickt. Das aufzudröseln gelingt den Kommissaren erst nach und nach, auch da sie nebenher mit reichlich privaten Problemen zu tun haben.

Der Roman ist zweifellos gut geschrieben, auch wenn die eine oder andere Phrase und manches Klischee nicht ganz vermieden wurden. Die Dialoge sind realistisch, die meisten Charaktere interessant und authentisch. Die Handlung läuft etwas zäh an, aber etwa ab der Hälfte nimmt die Spannung Fahrt auf und die Ereignisse überschlagen sich. Ich kann nicht sagen, woran es lag, die Lösung jedenfalls schien mir recht früh offensichtlich, obwohl die Autorin geschickt mehrere falsche Fährten legt.

Was mir nicht so gut gefiel waren die dick aufgetragenen privaten Probleme der Ermittler, insbesondere bei der Protagonistin Johanna. Hier war es ein bisschen zu viel des Schlechten: ein schwerer Unfall als Kind, Zerwürfnis mit den Eltern wegen ihrer Homosexualität, ein von ihr erschossener Täter in Berlin, der sie in ihre Träume verfolgt und dann noch während der aktuellen Ermittlungen eine schwere Grippe – ehrlich gesagt, die Hälfte dieser Erschwernisse hätte mir auch genügt. Dazu kommen dann noch Streitereien mit der neuen Vorgesetzten und einigen Kollegen, etliche Alleingänge bei den Ermittlungen und so weiter. Das scheint heutzutage um sich zu greifen, auch bei Fernsehkrimis, dass man die Ermittler mit heftigen persönlichen Schwierigkeiten belastet, die dann vielleicht auch noch in größeren, gesellschaftlichen Zusammenhang gesetzt werden. In meinen Augen macht das einen Krimi nicht spannender, sondern lenkt eher von der eigentlichen Handlung ab. Aber das ist Geschmackssache.

Insgesamt ist der Roman ein klassischer Whodunnit mit Spannung und gut ausgearbeiteten Figuren. Ich hoffe, wir werden von dieser Autorin weitere Romane lesen dürfen.

Anja Wedershoven: Im Schatten der Kopfweiden.
Emons, Oktober 2020.
304 Seiten, Taschenbuch, 13,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

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