Macht ist doch etwas Verführerisches. Da hat man als Gott gemeinhin doch wirklich genügen derselben, doch irgendwie kann es wohl nie zu viel an Macht sein, zumal die Damen und Herren Nachbargötter ja auch, bildlich gesprochen, ihren Hut in den Ring werfen. So wird, so ist es gute, alte Sitte, alle einhundert Jahre ein Wettstreit ausgelobt. Der Sieger besteigt der Thron des Olymp – so weit, so gut.
Natürlich kämpfen die hohen Herrschaften nicht persönlich. Sie wählen ihre oder ihren Kämpen, die oder der sie bei den Crucible-Spielen vertritt.
Bislang waren die altgriechischen Götter dabei ziemlich unter sich – dieses Mal, sie ahnen es bestimmt bereits, ist es ein wenig anders, sonst hätte ich ja auch nichts zu berichten.
Hades, Gott der Unterwelt, hat sich, bis dato zumindest, immer aus dem Spektakel herausgehalten. Dieses Mal aber entsendet er mit Lyra eine eigene Kämpferin in den Wettstreit – und er hat vor, zu triumphieren!
Dass Lyra, die von Zeus bei ihrer Geburt mit einem unschönen Fluch belegt worden war, bislang für den Orden der Diebe tätig war, kommt ihr bei den Aufgaben natürlich zupass.
Dass sie ein, nun nennen wir es ambivalent-angespanntes Verhältnis zu ihrem Gönner hat, kommt erschwerend hinzu. Die wechselseitige Anziehung sorgt in ihrem Alltag, der so wahrlich schon gefährlich genug ist, für ein bisschen weiteres Salz in der Suppe – zumal die Gottheit, um letztlich zu gewinnen, bereit ist, auch unerlaubt und ganz im geheimen immer wieder aktiv zu Lyras Gunsten einzugreifen …
Der Roman braucht ein wenig, bis wir Leserinnen und Leser uns in ihm zurechtfinden und heimisch fühlen. Zu Beginn erwartet uns eine Wagenladung von Figuren, Orten und Intrigen, die wir erst peu à peu einordnen können.
Zudem ist Lyra gerade am Anfang eine Figur, die nicht ganz sympathisch rüberkommt. Zu besserwisserisch und zu impulsiv agiert sie, als dass sie uns schnell ans Herz wachsen würde.
Nun ist ja bekannt, dass „was sich liebt, das neckt sich“ – doch wie Hades und Lyra miteinander umgehen, das ist schlicht nervig. In solch eine besserwisserische Schnepfe soll sich ein allmächtiger Gott verlieben – im Leben nicht!
Gut, dass Hades ja über die Unterwelt, also das Nachleben regiert, da kann es dann vielleicht doch dazu kommen, dass diese Beiden zueinander finden.
Nach dem etwas chaotischen, holprigen Anfang wurde es dann langsam ein wenig besser. Die Herausforderungen sind interessant, die Auseinandersetzungen packend, die Lösungen überraschend. So bleibt dies ein Reihenauftakt, der, was die romantischen Aspekte anbetrifft, enttäuscht, der aber mit den Prüfungen punktet und so ein zwiespältiges Gefühl bei mir hinterließ.
Abigail Owen: The Games Gods Play – Schattenverführt
aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Julia Schwenk
dtv Verlag, Oktober 2024
689 Seiten, gebundene Ausgabe, 25,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.