Der 1971 geborene israelische Autor Eshkol Nevo hat die Bewohner eines dreistöckigen Hauses unter die Lupe genommen und ihre Eigenarten, Sorgen und Probleme in drei Kapiteln niedergeschrieben. Diese Idee ist zwar nicht ganz neu – unter anderem José Saramago für „Claraboia“ hatte sie schon –, aber interessant ist sie trotzdem.
In der ersten Etage des porträtierten Hauses ist es ein Vater, der der fixen Idee verfällt, sein an beginnender Demenz leidender Nachbar hätte seine Tochter missbraucht. Er steigert sich immer mehr in diesen Wahn hinein. Eine Etage darüber leidet Chani unter der ständigen Abwesenheit ihres Mannes. Auch dass er sich so wenig für seine Kinder interessiert, setzt ihr zu. Dann kommt der Bruder des Ehemanns, der ein gesuchter Immobilienhai ist und seinen Kunden Unsummen an Geld schuldet. Aber er tut genau das, was sein Bruder nie tut: Er hört Chani zu und kümmert sich um die Kinder. Das führt zu einer schwierigen Zwickmühle für Chani. Soll sie aus Solidarität zu ihrem Mann den Bruder vor die Tür setzen, oder soll sie einfach ihren Gefühlen folgen. Seelennöte gibt‘s auch in Etage drei, wo die ehemalige Richterin Dvorah darunter leidet, dass ihr Sohn nach einem schweren Zerwürfnis mit dem Vater seit drei Jahren keinen Kontakt mehr zu den Eltern hat. Doch der Vater ist nun tot.
„Über uns“ – so heißt dieser Roman – zeigt, welchen inneren Qualen und Nöten die Bewohner in nur einem einzigen Haus ausgesetzt sind. Als Leser stellt man sich unweigerlich die Frage: Wie mag es da in einem ganzen Straßenzug oder in einer ganzen Stadt aussehen?
Eshkol Nevo erzählt diese Geschichte, indem er seine drei Hauptfiguren Briefe an Freunde schreiben lässt oder – im Falle der Richterin – auf einen Anrufbeantworter sprechen lässt. Das ist zwar ein origineller Kniff, kann aber auf Dauer auch ermüdend wirken. Trotzdem insgesamt ein lesenswerter Roman.
Eshkol Nevo: Über uns.
dtv, Januar 2018.
320 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.
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