Volker Kutscher: Mitte

Friedrich „Fritze“ Thormann hat es nie ganz leicht gehabt im Leben. Das kurze Glück, als er als Pflegesohn zu Gereon und Charly kam, nachdem er lange auf den Straßen von Berlin gelebt hatte, zerrann, als er in eine andere – ungeliebte Pflege-stelle musste. Zu Anfang von begeistert von der HJ und ihren Aufmärschen, wurde er im letzten großen Band „Olympia“ auch brutal ernüchtert, als er sich für den falschen Sportler begeisterte und dann auch noch Zeuge eines Selbstmordes wurde, der angeblich nie stattfand.

Mitte erzählt jetzt einen großen Teil seiner Geschichte nach den Olympischen Spielen von 1936. Er ist untergetaucht in einer Kohlenhandlung in Berlin Mitte. Ausgestattet mit einem falschen Pass macht er sich sogar Hoffnungen auf einen Ausbildungsplatz. Aber er ist einsam und so beginnt der belesene Fritze, Briefe zu schreiben. An Charly natürlich, aber auch an seine alte Freundin Hannah, die ebenfalls mit falschen Papieren in Breslau untergekommen ist. Diese Briefe erzählen uns, was aus ihm wird, auch wenn wir die Antworten nicht zu lesen bekommen.

Seine Briefe erzählen von seiner Einsamkeit im Versteck, aber auch von den Hoffnungen, die er sich als junger Mensch immer noch macht, von seinen Sehnsüchten und Träumen. Aber sie erzählen auch von den Gefahren Berlins in jener Zeit und davon, dass die Geschichte um das Olympiadorf noch nicht ausgestanden ist.

Illustriert ist das Buch mit wunderschönen Zeichnungen, die immer zur Geschichte passen und trotzdem noch reichlich Raum für Fantasie lassen.

Das Buch ist nicht lang, aber unglaublich eindringlich. Zum einen, weil wir die Ge-schichte durch seine Briefe quasi von Fritze direkt erfahren, zum anderen aber auch, wie der Leser mit dem jungen Mann mitfiebert, ihn so manches Mal aufhalten möchte, wenn er gar zu hemdsärmelig wird. Denn er ist noch so jung, zwar straßenerfahren, aber was nützt ihm das gegen einen durchorganisierten Politikbetrieb. So muss der Leser miterleben, wie er immer tiefer und tiefer in die Gefahr rutscht, es selbst kaum merkt und bis zum Schluss noch so viel Hoffnung auf die Zukunft hat.

Volker Kutscher: Mitte.
Galiani Berlin, Oktober 2021.
128 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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Ein Kommentar zu “Volker Kutscher: Mitte

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