Ein kleiner Roman, dessen Handlung sich um die Bedeutung und den präzisen Gebrauch von Wörtern dreht
Der Protagonist Jonas ist keiner, mit dem man sich identifizieren mag. Überhaupt ist er alles andere als sympathisch. Dennoch muss man ihn immer weiter durch die Zeilen begleiten.
Jonas ist frisch pensionierter Zeitungsredakteur. Nach Abschluss seines Berufslebens soll er eine Biografie über einen berühmten Medienmagnaten verfassen. Jonas nennt ihn Y. Er mag diesen Buchstaben nicht. Auch der Vorname seiner Frau begann mit Y. So ist der Buchstabe Y in Jonas’ Gedankenabläufen immer präsent. Jonas macht sich mit einer Aversion an seinen Auftrag. Er tut sich schwer damit, sich mit Y. auseinanderzusetzen. Alles kommt ihm nicht richtig vor. Dem prominenten Medienmann Leben einzuhauchen, will ihm einfach nicht glücken. Dabei findet er sich selbst immer wieder in der Person von Y. Seine Sichtweise auf Y. und sein Ich zerfließen ineinander. Y. ist stets präsent, verfolgt ihn regelrecht.
Auszeit in den Schärengärten
Jonas’ Töchter haben ihren Vater eingeladen, den Sommer mit ihnen auf einer Schäreninsel zu verbringen. Hier soll endlich eine Annäherung ihrer Beziehung zum Vater stattfinden können, erhoffen sie sich.
Jonas bezieht allein das Saunahäuschen, einen kargen Raum, in dem nichts ablenken kann. Die besten Voraussetzungen eigentlich, um ungestört zu schreiben – und auch um ungestört zu trinken. Doch alles gestaltet sich für alle schwieriger als gedacht. Jonas kämpft nicht nur mit den Worten für den Text, der nicht entstehen will; er kämpft auch mit der familiären Vergangenheit, die ihn jetzt einholt. Das Versäumte kann er nicht mehr nachholen. Viele Jahre sind vergangen, in denen er seine Familie kaum wahrgenommen hat. Erst jetzt wird ihm bewusst, dass er seine Töchter eigentlich gar nicht richtig kennt, nie wirklich für sie dagewesen war. Alle mussten stets auf ihn, den Schreibenden, Rücksicht nehmen. Er war derjenige in der Familie, der den Ton angegeben hat.
Die Aussagekraft der richtigen Wortwahl
Worte nahmen schon immer einen besonderen Stellenwert in Jonas’ Leben ein. Sie mussten stimmig, präzise sein. Die Aussagekraft der Worte war und ist für Jonas nach wie vor enorm wichtig. Doch trotz seiner Obsession für das korrekte Wort und die richtige Ausdrucksform ist es ihm nicht möglich, sich seinen Töchtern so mitteilen zu können, wie er sollte und eigentlich auch möchte.
Ein nahegelegener Steinacker, der eine Attraktion auf der Schäreninsel ist, zieht ihn immer wieder magisch an und nimmt eine besondere Bedeutung ein. Steine und gefallene Worte wiegen gleichsam schwer. Diese Steine kann er immer wieder neu ordnen, kann darunter belastendes vergraben.
Ein stiller, metaphorischer Roman
Tove Jansson filtert ihren Text wie ihr Protagonist Jonas. Zurück bleibt verdichtetes (Wort)-Konzentrat.
Tove Jansson: Der Steinacker.
Übersetzung aus dem Schwedischen: Brigitta Kicherer.
Urachhaus, Oktober 2024.
95 Seiten, gebundene Ausgabe, 20 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.