Ausgerechnet mit Tariq, Max und Julian soll Liza einen Film drehen. Das Thema: Träume. Aus der Gruppe der Chaoten, die mit ihr an der Qualifizierungsmaßmahme für den Hauptschulabschluss teilnehmen, sind die drei die Schlimmsten. Das kann nie etwas werden. Denkt Liza anfänglich zumindest. Doch nach und nach finden die vier zusammen. Gemeinsam wollen sie in ihrem Film zeigen, warum sie an ihrer Schule von Anfang an keine Chance hatten. Sie drehen ein schonungsloses Video, das derb ist, wütend und ein bisschen hoffnungslos. Doch genau dabei finden sie heraus, dass auch sie noch Träume haben. Träume, für die es sich vielleicht sogar zu kämpfen lohnt.
Passend zum Schuljahresende, an dem der ein oder andere vielleicht ein eher ernüchterndes Zeugnis mit nach Hause bringt, sei dieses Mut machende Buch von Tom Limes empfohlen.
Der Autor trifft das Lebensgefühl der abgehängten Jugendlichen sehr gut. Alle vier – wenn das Buch auch nur aus der Sicht von zweien geschrieben ist – haben ihre eigene, berührende Biografie, die sie in die Qualifizierungsmaßnahme geführt hat. Julian scheiterte an seiner Dyskalkulie. Nach ihrer Tourette-Diagnose verweigerte Liza die Schule. Tariq fehlte, weil er ständig für seinen Vater in der Firma einspringen musste. Einen Vater, der nicht einsieht, warum sein Sohn einen Schulabschluss benötigt. Max war schlichtweg gelangweilt. Das Schicksal des hoch intelligenten Jungen ist es eigentlich nur, dass er im falschen Stadtteil aufwächst . Kein Wunder, dass alle von sich glauben, gescheitert und damit Loser zu sein.
Es fiel mir gar nicht schwer, mich mit einem der Erzähler zu identifizieren, denn auch für mich war Mathe immer eine Katastrophe. Aber auch ohne eine persönliche Betroffenheit kann man sich gut in die Jugendlichen reinfühlen. Der Autor schafft ein realistisches, bewegendes Bild ohne zu dramatisieren. Er schafft ein Verständnis für diese Abgehängten der Gesellschaft und macht deutlich, dass es sich immer lohnt, hinter die Fassade eines Menschen zu schauen um zu verstehen, warum er sich auf eine bestimmte Weise verhält.
Und so ist auch das einzige Manko an der Lektüre, dass sie so kurz ist. Ich hätte gerne noch viel mehr Zeit mit den vier Protagonisten verbracht, die mir während der Lektüre doch sehr ans Herz gewachsen sind.
Tom Limes: Voll verkackt ist halb gewonnen.
Arena, Juni 2019.
256 Seiten, Taschenbuch, 12,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Nadine Roggow.