Ich bleibe dabei, auch beim zweiten Band bleibt diese Idee grandios. Nämlich „Ein Buch über Gefühlsregungen zu schreiben, die von Mitmenschen vorgeschlagen werden, und die Tim Krohn so wunderbar in diese Mietshausgeschichten aus der Röntgenstraße in Zürich, einflechtet. In allen Gestalten, noch so verrückt oder jung, sexbesessen, forschend oder über das Sterben sinnend – in allen findet sich ein Teil von uns wider.“ (s. meine Kritik: Herr Brechbühl sucht eine Katze) In der Fortsetzung befinden wir uns nun im Jahre 2001. Wir alle wissen, wie dieses Jahr die Welt verändert hat: 9/11! Und so kommt es, dass diese furchtbare Katastrophe sich auch in die Geschichten in und um das Haus widerfinden. Schließlich werden die Anregungen für Stories ja auch von Lesern vorgeschlagen.
Tim Krohn spinnt sich daraus eine Art „Lindenstraße“, die ich zwar nie gesehen habe, aber wo das Drehbuch sich sicher auch daran hält, die persönlichen Geschichten mit denen aus der Realität korrespondieren zu lassen. Man hat die Figuren aus dem ersten Band ja bereits lieb gewonnen und wundert sich manchmal, über die neu gewonnen Vitalität, zum Beispiel bei Herrn Brechbühl, der verliebt wie er ist, sogar noch mal eine Reise nach Istanbul wagt. Auch Erich Wyss, hochbetagt und als Witwer schon fast perspektivlos, haut auf einmal richtig um sich! Andere Lebenspläne, vor allem aus dem Kreativbereich der Schauspielerei und der Wissenschaften bleiben durch nine/eleven auf der Strecke oder gewinnen durch neue Richtungen. Die anfangs etwas pralle und schwer rückengeschädigte Efgenia freundet sich, nach Band 1 nahezu unvorstellbar, mit Julia Sommer an und so weiter und so fort. Und wenn sie nicht gestorben sind… Aber das werden sie nicht! Ich habe sogar gehört, dass sich Tim Krohn vor Vorschlägen zu den Charakteren und Wendungen aus seinem Leserkreis kaum retten kann. Man darf gespannt sein auf sein Destillat in Band drei!
Tim Krohn: Erich Wyss übt den freien Fall.
Galiani-Berlin, August 2017.
496 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.