Anika Decker: Wir von der anderen Seite, gelesen von Katja Riemann

Als Rahel aufwacht, versteht sie die Welt nicht mehr. War sie nicht eben noch in die Notaufnahme gegangen, da ein Nierenstein ihr Probleme machte? Nun liegt sie verkabelt mit zahlreichen Schläuchen im Körper auf der Intensivstation und weiß nicht, wo oben und unten sind. Sie kann sich kaum bewegen, wird mit Medikamenten vollgepumpt und niemand verrät ihr etwas. Erst Tage später erfährt sie, dass sie wegen multiplem Organversagen im Koma lag. Nun muss sie mit ganz kleinen Schritten anfangen. Einen Löffel selbst zu halten, ist beispielsweise unmöglich, vom Bett aufstehen undenkbar. Kleine Schritte führen Rahel zurück ins Leben und die Komödienautorin versucht, alles mit etwas Humor zu nehmen.

Anika Decker ist selbst Drehbuchautorin und unter anderem durch Filme wie „Keinohrhasen“ und „Zweiohrküken“. „Wir von der anderen Seite“ ist ein teilweise biographischer Roman, denn die Autorin lag selbst in einem künstlichen Koma und musste sich zurück ins Leben kämpfen. Wegen einer Nierenbeckenentzündung mit Blutvergiftung wurde diese Maßnahme damals nötig. Rahel, ihre Romanfigur, durchlebt ein sehr ähnliches Schicksal. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Mauríco Gomyde: Die schönste und die traurigste aller Nächte

Als Teenager entdecken Victor und Amanda bei ihrem Abschlussball Gefühle füreinander. Doch Victor weiß nicht, dass Amanda noch am folgenden Tag mit ihrer Familie das Land verlassen wird, um auf einen anderen Kontinent zu ziehen. Während sie ihm dies eröffnet, fällt er aus allen Wolken. Erst Stunden später kommt er wieder zu sich und befindet sich an einem ganz anderen Ort. Viele Tage später wird er den Zusammenhang erkennen. Denn Victor erlebt glückliche Momente gleich zwei Mal, traurige hingegen überspringt er, manchmal um Stunden, manchmal um Tage. Amanda glaubt er für immer verloren. Denn nur acht Monate nach ihrem Weggang erreicht ihn die Nachricht ihres Todes bei einem Attentat. Zwanzig Jahre später jedoch merkt er, dass er einem Irrtum aufgesessen ist.

Mauríco Gomyde ist mit „Die schönste und die traurigste aller Nächte“ ein sehr schöner Roman gelungen. Die Grundidee ist dabei pfiffig und rührend zugleich und passt sich somit dem Titel des Romans gut an. Erlebt Victor einen sehr schönen Moment, springt er in der Zeit zurück. Manchmal nur wenige Minuten, manchmal mehrere Stunden. So kann er den schönen Moment noch einmal erleben. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Anne Griffin: Ein Leben und eine Nacht, gelesen von Reinhard Kuhnert

Im Alter von 84 Jahren beschließt Maurice Hannigan, in ein Altersheim umzuziehen. Er hat alle Kisten gepackt und beschriftet, das Land verkauft und sitzt nun in einer Hotelbar und lässt sein Leben Revue passieren. Im Laufe des Abends spricht er fünf Mal einen Toast aus auf Menschen, die in seinem Leben eine wichtige Rolle gespielt haben. Übernachten wird er in dieser Nacht in der besonderen Hochzeitssuite des Hotels – auch diese hat für Maurice eine ganz besondere Bedeutung, wie schnell klar wird. Im Geiste geht er die wichtigsten Stationen seines Lebens durch und muss dabei immer an seinen Sohn Kevin denken, an den er ebendiese Gedanken auch richtet.

Maurice befindet sich in diesem Abend im gedanklichen Austausch mit Kevin. Da dieser in der Situation aber nicht anwesend ist, gestaltet sich das Gespräch sehr einseitig. Es spricht aber auf der anderen Seite die Zuhörer und Zuhörerinnen an. Man wird durch die direkte Ansprache Kevins immer wieder zur Geschichte zurückgeholt und mit ihr verbunden. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Judith Merchant: Atme!

Es sollte ein ganz normaler Shoppingausflug werden. Nile und ihr Freund Ben. Und dann ist da dieses Kleid im Schaufenster. Nile und Ben betreten den Laden, sie probiert das Kleid an – vielleicht wäre es ja was für die anstehende Hochzeit? Doch als Nile aus der Umkleidekabine kommt, ist Ben wie vom Erdboden verschluckt und auch vor dem Laden kann sich niemand an ihn erinnern. Panisch ruft Nile in den Krankenhäusern der Umgebung an und telefoniert schließlich auch die Freunde von Ben ab, von denen er sich in der letzten Zeit distanziert hatte. Niemand interessiert sich für Bens Verschwinden! Nur Bens noch-nicht-ganz-Ex-Frau Flo scheint Anteil zu nehmen und möchte Nile helfen. Doch sagt sie wirklich die ganze Wahrheit?

Judith Merchant spielt in ihrem Thriller „Atme!“ mit der Wahrnehmung der Leserinnen und Leser, aber auch mit Niles Bezug zur Realität. Nile wird oft panisch, weshalb Ben mit ihr ein Ritual entwickelt hat, um sie auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Anna Rosina Fischer: Songbird

Ella ist 18 Jahre alt und wiederholt soeben die 11. Klasse nach einem Auslandsjahr. Ein bisschen verloren fühlt sie sich in der neuen Klasse, trauert ihren Freunden im Schuljahr darüber nach. Aber ein bekanntes Gesicht gibt es und das ist ausgerechnet der beste Freund ihres Bruders: Sam. Sie kennt ihn schon ewig und ist heimlich auch ein bisschen in ihn verliebt. Aber Sam ist nicht etwa ihr Mitschüler, sondern ihr Lehrer. Das macht die Sache nur komplizierter, als Ella merkt, dass sie ernsthafte Gefühle für den jungen Mann hat. Und dann setzt sie ihre komplette Gesundheit aufs Spiel, nur um ihm nahe zu sein.

Anna Rosina Fischer hat mit „Songbird“ einen guten Jugendroman geschrieben, großartig ist er aber nicht. Er behandelt eine Vielzahl von Themen und mir kommt es ganz so vor, als wäre für keins der Themen wirklich Platz und Zeit. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Maxim Wahl: Das Savoy: Aufbruch einer Familie

England, 1932: Das Savoy ist bereits jetzt ein angesehenes Hotel, das von vielen bekannten und reichen Persönlichkeiten geschätzt wird. Geführt wird es von Violets Großvater Larry. Doch als dieser einen Schlaganfall erleidet, setzt er ausgerechnet die junge Violet an seine Stelle und verärgert somit seine eigenen Kinder, die sich Chancen ausgerechnet hatten. Doch in dem Hotel ist auch nicht alles Gold, was glänzt. Larry vermutet, dass er selbst vergiftet werden sollte, eine Leiche liegt im Hinterhof und auch sonst haben die Belegschaft und die Gäste so allerhand Geheimnisse.

Hinter dem Pseudonym Maxim Wahl steht ein bekannter deutscher Schriftsteller, der bereits viele Veröffentlichungen vorzuweisen hat. Das merkt man dem Roman auch an. Wahl blickt immer zur richten Zeit an den richtigen Ort und erzählt die Geschehnisse mit der nötigen Spannung. Dabei verliert er seine vorrangige Protagonistin Violet nicht aus den Augen. Sie will beim BBC ganz groß rauskommen, hat sich in den Hotelmechaniker verliebt, bekommt aber auch von ihrem Chef eindeutige Angebote gemacht. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Michael Ende. Die unendliche Geschichte (1979)

Als Bastian vor der Schule ein Buch mitgehen lässt, weiß er noch nicht, dass die Lektüre sein Leben für immer verändern wird. Er taucht ein in die Unendliche Geschichte und lernt dort Atréju kennen, der gemeinsam mit dem Glücksdrachen Fuchur das Leben der Kindlichen Kaiserin retten muss. Seitdem sie krank ist, verschwindet Phantásien zusehends und hat schwarze Löcher aus Nichts. Das muss gestoppt werden, die fantasievolle, grenzenlose Welt darf nicht für immer im Vergessen landen. Bastian erkennt fast zu spät, dass er selbst der Schlüssel zur Rettung ist.

Michael Endes Werk ist ein wahrer Klassiker und wurde seit seinem Erscheinen von vielen Generationen gelesen. Im Vordergrund steht nicht nur die Handlung. Sie nimmt aber viel Raum ein und ist immer wieder abwechslungsreich und bunt gestaltet. Erst gibt es zwei Handlungsstränge, einen in Phantásien, einen in der Welt der Menschen, die sich zur Mitte des Buches dann miteinander verknüpfen. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Ria Winter: Tal der Toten

Die 18-jährige Inari gehört zum Volk der Lumi. Das Volk wird von den feindlich gesinnten Vivaara bedroht. Deshalb hat es vor einigen Jahren einen Schutzwall errichtet, in dem es seine Toten wieder auferweckt hat. Diese patrouillieren seitdem am Pass, der das Tal von der Außenwelt abschottet. Auch Inaris Vater gehört zu der Patrouille, denn er ist vor einigen Jahren bei einem Unfall gestorben. Mitten im Herbst findet sie plötzlich eines Morgens frische Schneeschellen vor ihrer Hütte. Dann läuft sie ihrem Vater auch noch über den Weg. Er reagiert nicht, starrt nur durch sie hindurch. Doch Inari glaubt fest daran, dass der Körper ihres Vaters nicht nur eine leere Hülle ist.

Ria Winter wurde beim Schreibwettbewerb des Impress Verlags (eBook Imprint des Carlsen Verlags) und tolino in 2018 Dritte. Ihr Buch wird zurzeit nur als eBook vertrieben. Und das ist schon fast schade, da so sicher nicht das komplette Publikum erreicht wird. Denn „Tal der Toten“ ist ein echter Geheimtipp für Fans von tollen Fantasy-Geschichten ohne viel Schnickschnack. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Christine Brand: Milla Nova 01: Blind

Nathaniel Brenner ist um die 40 Jahre alt und lebt als Blinder mit seinem Hund in Bern. Über eine App lässt er sich gelegentlich von Sehenden helfen, etwa wenn er ein Hemd einer bestimmten Farbe aussuchen will. Durch Zufall wird er dann mit einem der sehenden Nutzer verbunden und dieser hilft ihm über ein Videotelefonat. So geschieht es auch an diesem Tag und Nathaniel wird blinder Zeuge eines seltsamen Geschehens. Es kommt ihm so vor, als sei sein Gegenüber Carole in echter Gefahr und würde gerade überfallen werden. Beim Notruf nimmt niemand den blinden Mann ernst, zumal er nicht mal weiß, wie Carole mit Nachnamen heißt. Über Kontakte schafft er es schließlich, dass Caroles Wohnung überprüft wird. Angeblich hat sie gesund die Tür geöffnet und behauptet, es sei alles in bester Ordnung. Aber kann das wirklich sein? Ist nicht mehr dran an der Sache?

Die Schweizer Autorin Christine Brand hat mit „Blind“ eine sehr spannende Geschichte entworfen. Die Figuren ergänzen sich großartig und bieten ein Bild über das große Ganze. Die Kapitel sind immer sehr kurz gehalten und zeigen meist nur ein Bruchstück, wenn’s wirklich spannend wird, gibt es einen Szenenwechsel. Dadurch ist man angehalten, ständig weiterzulesen. Man kann den Roman kaum aus der Hand legen. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Niklas Natt och Dag: 1793

Stockholm, 1793: Die stark verstümmelten Überreste eines Menschen treiben in der Kloake der Stadt. Der Jurist Cecil Winge muss sich mit dem Fall auseinandersetzen und gerät immer wieder mit dem ermittelnden Jean Michael Cardell aneinander. Doch nur wenn die beiden zusammenarbeiten, wird es ihnen gelingen, diesen komplexen Fall zu lösen. Was ist dem Mann, dessen Überreste sie gefunden haben, wirklich passiert? Die Antwort führt die beiden auf einen gefährlichen Pfad.

„1793“ ist genial. Man kann es nicht anders sagen. Der Roman ist genial und nochmals genial. Ich habe seit langem nicht mehr ein solch guten historischen Kriminalroman wie diesen gelesen. Er ist sehr abwechslungsreich und zeigt dabei ein authentisch wirkendes Bild der Zeit. Im 18. Jahrhundert war nichts einfach und man musste täglich ums Überleben kämpfen, wenn man bestimmten Gesellschaftsschichten angehörte. Cecil hat eine schwere Lungenkrankheit und jeder Tag wird für ihn beschwerlicher. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten: