Elena Ferrante: Frau im Dunkeln

Die Universitätsprofessorin Leda liegt nach einem Autounfall im Krankenhaus. Ihre Verletzungen sind unwesentlich, jedoch hat sie eine für die Ärzte unerklärliche Stichwunde unter ihren Rippen. Eine letztendliche Erklärung für sich selbst hat auch Leda nicht. Aber sie erzählt rückblickend, wie es dazu gekommen ist.

Leda verbringt ihren Urlaub an der Ionischen Küste. Am Strand, hinter einem Pinienwald, findet sie einen Platz, den sie fortan  täglich aufsucht. Bald fallen ihr dort eine junge Mutter und ihre kleine Tochter auf, die in ihrem Spiel mit einer Puppe ein sehr beglückendes, einander zugewandtes Gebaren an den Tag legen. Das tägliche Stelldichein am Strand macht die beiden für Leda schnell zu vertrauten Personen. Leda interpretiert das Spielverhalten von der jungen Mutter Nina und ihrer Tochter mit ihrer ureigenen Sicht auf die Dinge. Ihre eigenen Unzulänglichkeiten brechen in ihr auf. Einerseits bewundert sie die junge Frau, würde gerne so fühlen, wie diese junge Mutter, die ganz selbstverständlich in ihrer Rolle aufgeht. Gleichzeitig reflektiert sie ihre eigene Mutterrolle, in der sie sich vor über zwanzig Jahren aus Überforderung gegen ihre beiden kleinen Töchter und für ihre eigene Karriere entschieden hatte, wodurch nun alle weiteren Abläufe eine neue Gewichtung und Richtungsänderung erfahren. Weiterlesen

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Elena Ferrante: Tage des Verlassenwerdens

Die Originalausgabe von „Tage des Verlassenwerdens“ erschien  bereits 2003 und ist Elena Ferrantes zweiter Roman. Schon nach wenigen Zeilen ist man gefangen in der traurigen Geschichte mit einer unglücklichen Protagonistin, die bis zum Ende nicht mehr loslässt.

Diesmal nimmt Ferrante uns mit in die Tiefen des Gemütszustandes einer verlassenen Frau. Die achtunddreißigjährige Olga lebt mit ihrer Familie in Turin. Mit ihrem Mann Mario ist sie seit fünfzehn Jahren glücklich verheiratet, die beiden haben zwei Kinder, einen Hund, eine schöne Wohnung. Olgas Leben und das ihrer Familie ist intakt, bis Mario sich für eine jüngere Frau entscheidet und die Familie verlässt. Damit bricht eine Welt für  Olga zusammen, denn damit hatte sie niemals gerechnet. Von einem Tag auf den anderen steht sie mitten in einem Scherbenhaufen. Von nun an durchlebt Olga einen schmerzhaften Prozess, bei dem die Leser alle Stationen ihrer Krise, das ganze Elend physischer und psychischer Zerrüttung in ihren Einzelteilen mitfühlen. Weiterlesen

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Heidi Sævareid: Am Ende der Polarnacht

Heidi  Sævareid (Jahrgang 1984) ist eine norwegische Autorin, die bislang dreimal für ihre Jugendromane für den Bragepreis nominiert war. „Am Ende der Polarnachtist ihr erster Roman für Erwachsene. Man merkt, dass sie weiß, wovon sie schreibt. – Der Roman spielt in der Zeit von 1957 und spiegelt die detailgetreuen Schilderungen der Landschaft und des Lebens in Spitzbergen.

Vor allem der Winter fordert viel von den Menschen, die in der dunklen Polartundra leben, ab. So ist es nicht verwunderlich, dass eine junge Frau wie die zugereiste  Protagonistin Eivor, immer wieder mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Nicht nur, dass Eivor ihre gewohnte Umgebung in Oslo mit ihrem Bekannten- und Freundeskreis – vertraute Menschen, die ihr in der kalten Fremde fehlen,  hinter sich gelassen hat. Neue Kontakte zu knüpfen fällt hier nicht leicht. Dass die Bewohner Spitzbergens ein besonderer Menschenschlag sind, bekommt Eivor schnell zu spüren.   Zum Glück gibt es die Huskyhündin Jossa, die Eivor einen gewissen Halt gibt.

Das so gänzlich andere Leben im hohen Norden wird immer wieder zu einer Herausforderung für die junge Frau. Wie es sich tatsächlich lebt  mit Temperaturen von minus 30 Grad und wie es sich anfühlt, die Insel im Winter nicht verlassen zu können, konnte sie sich zuvor nicht richtig vorstellen. Weiterlesen

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Elena Ferrante: Das lügenhafte Leben der Erwachsenen

Elena Ferrante und Neapel gehören seit ihrer „Neapolitanischen Saga“ einfach zusammen. Auch „Das lügenhafte Leben der Erwachsenen spielt sich in Neapel ab. Die Plätze und Straßen, in denen die Handlung angesiedelt ist, sind auch diesmal nicht erfunden, sondern in der süditalienischen Stadt ganz nach Ferrante-Manier auffindbar.

In den Neunziger Jahren ist die junge Protagonistin Giovanna dreizehn Jahre alt. – Ein Lebensabschnitt, in dem alles im Umbruch ist. Es sind nicht nur ihre körperliche Veränderungen, mit denen Giovanna sich auseinandersetzt. Sie hinterfragt viel, so auch das Verhalten der eigenen Eltern. Das Mädchen, das eine behütete Kindheit hatte und deren intellektuelle Eltern auf eine gute Bildung ihrer Tochter bedacht sind, rebelliert. Sie zeigt keine Interessen mehr an der Schule und macht sich mit Minderwertigkeitsproblemen das Leben schwerer als es ist. Sie nimmt Kontakt auf zu ihrer Tante Vittoria, einer Schwester ihres Vaters, die von ihren Eltern seit jeher gemieden wird. Vittoria lebt quasi in einer ganz anderen Welt, aus der Giovannas Vater sich einst mit viel Fleiß herausgekämpft und die er regelrecht aus seinem Leben herausradiert hat. Weiterlesen

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Marieke Lucas Rijneveld: Mein kleines Prachttier

Sein sexuelles Begehren nach dem Mädchen artet immer hemmungsloser aus, seine strategische Verführung ist skandalös.

Nein, es geht nicht um Nabokovs „Lolita“. Aber Marieke Lucas Rijnevelds neuer Roman weist gewisse Parallelen hierzu auf.

Er, der namenlose Protagonist ist ein neunundvierzigjähriger Tierarzt, der auf dem Milchhof ihres Elternhauses ein und aus geht. Er kennt sie schon als kleines Mädchen, sieht sie heranwachsen, gewinnt ihr Vertrauen und das des Vaters und ihres Bruders.

Das Mädchen wächst ohne Mutter auf dem Hof auf, in dem der Veterinär eine Vertrauensstellung genießt und schon fast wie zur Familie gehört. Sie hat sich zurechtgefunden mit dem von Männern und dampfenden Kühen besetzten Zuhause. Die Kühe sichern ihre Existenz. Alles dreht sich um die schweren Tiere, um ihre Euter, Ausscheidungen, Schleim und Blut, ihre Brünstigkeit, ihr Gebären und Sterben, um Kälberflechte oder Kalziummangel. Da bleibt kein Platz für die Empfindsamkeiten und Selbstfindungsprozesse eines Mädchens. Dafür flüchtet sie sich in ihre Phantasiewelten. Als Heranwachsende ist ihre Weltanschauung morbide, besetzt von einer Weltuntergangsthematik mit 9/11, traurigen Gedichten, Songtexten, Siegmund Freud und Hitler. Der Tierarzt ist einer, bei dem sie sich verstanden fühlt, mit dem sie über alles diskutieren kann. Weiterlesen

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Edgar Selge: Hast du uns endlich gefunden

Es ist eine Art Kontaktaufnahme mit der eigenen Kindheit, die Edgar Selge in diesem Buch beschreibt. Dabei beweist er, dass er nicht nur ein brillanter Schauspieler ist (man denke nur an Houellebecqs „Unterwerfung“), sondern auch ein lesenswerter Schriftsteller.

In vielen Episoden erzählt er in diesem Buch von den Gepflogenheiten im Elternhaus in den Sechzigerjahren.

Edgar ist zwölf und lebt mit seinen Brüdern und den Eltern in direkter Nachbarschaft zum Gefängnis, dessen Direktor sein Vater ist.

Musik spielt eine bedeutende Rolle im Haus der Selges. Den regelmäßigen Hauskonzerten, bei dem sich der Vater am Flügel durch einen Violinenspieler begleiten lässt, dürfen auch Strafgefangene im Wohnzimmer der Selges beiwohnen.

Den Gefangenen gegenüber und ihren Motiven, die zur Straftat geführt haben, begegnet der Vater mit erstaunlicher Güte und Empathie. Die eigenen Kinder dagegen bestraft er mit unerbittlicher Härte. Für seine Verfehlungen (Edgar bestiehlt den großen Bruder und veruntreut die Klassenkasse) bezieht Edgar regelmäßige Prügel mit dem Rohrstock. Weiterlesen

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Harald Welzer: Nachruf auf mich selbst

Wer den Soziologen Harald Welzer kennt, kennt seine Thesen.

In diesem Buch mischt er viel Persönliches mit politischen, wissenschaftlichen und philosophischen Betrachtungen, was es umso lesenswerter macht.

Gleich zu Anfang des Textes bezeichnet Welzer alle vom Menschen erzeugten Produkte (Häuser, Autos, Plastik, Asphalt etc.) als „tote Masse“, die sich seit ca. 1900 alle zwanzig Jahre verdoppelt. Hingegen ist die natürliche „Biomasse“ aller Wildtiere in den letzten fünfzig Jahren laut Welser um mehr als vier Fünftel geschrumpft (S. 11).

Die Absurdität unseres unstillbaren Hungers nach immer weiterem Wachstum zeigt sich sich längst in vielfältigen ökologischen Problemen, im Artensterben und Klimawandel, weshalb Welzer unsere Gesellschaft als realitätsverweigernd  bezeichnet. Die Endlichkeit der Welt wird von uns systematisch negiert.

Wie können wir damit aufhören, unser Leben mit immer mehr Ressourcenverbrauch immer weiter optimieren zu wollen? – Immerhin sühlt sich unsere Gesellschaft geradezu im Wachstumskapitalismus, in dem uneingeschränkter Konsum und das Anhäufen vieler oft nutzloser Produkte als erstrebenswert gilt. Weiterlesen

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Catherine Raven: Fuchs & ich – Die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft

In diesem Buch geht es um eine introvertierte Biologin, die ihr Leben einzig und allein der Natur verschrieben hat und um die außergewöhnliche Verbindung, die sie zu einem Fuchs aufbaut.

Bevor Catherine Raven in Biologie promovierte, hatte sie als Park Rangerin im Mount-Rainier-Nationalpark/Washington gearbeitet. Danach baut sie sich, abgeschottet von der restlichen Welt, in der Wildnis von Montana inmitten von Wüstenbeifuß, Kakteen und Gräsern eine kleine Hütte. Hier in der Einsamkeit heilt sie ihre Ängste und ihre Langeweile, indem sie sich gänzlich der Natur widmet. Pflanzen bestimmen, mit Wühlmäusen und Spinnen leben und wilde Tiere beobachten ist ihr Lebensinhalt. Wenn sie die Jalousien hochzieht, kommt es vor, dass sie direkt in die Augen eines Maultierhirschs blickt. Sie beginnt den Bewuchs um das kleine Cottage herum zu roden. Zwischendurch hält sie Wildbiologiekurse oder führt Exkursionen mit Studenten durch. Doch eigentlich reicht der menschenscheuen Wissenschaftlerin der Kontakt mit einer Schnecke aus. Weiterlesen

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Kent Haruf: Ein Sohn der Stadt

Die beschauliche, fiktive Stadt Holt im Mittleren Westen der USA ist den Lesern von Kent Harufs Büchern längst bestens bekannt. Und wie könnte es anders sein – auch sein neuer Roman spielt in dieser typischen amerikanischen Provinzstadt, die möglicherweise unter einer anderen Ortsbezeichnung tatsächlich existent ist.

Jack Burdette war acht Jahre aus Holt verschwunden und taucht plötzlich wieder auf. Er parkt seinen roten Cadillac mitten in der Stadt und bleibt einfach darin sitzen. Niemand aus Holt hatte je damit gerechnet, dass er irgendwann freiwillig zurückkommen würde, nach all den Ungeheuerlichkeiten, die er angerichtet hat. Der Griff in die Kasse seines Arbeitgebers, die Schulden bei den Ladeninhabern der Geschäfte, in denen er sich vor seinem Verschwinden neu eingekleidet hat und obendrein ist da noch seine Familie, die er ohne jegliche Andeutungen verlassen hat. Bis nach Kalifornien hatte man seine Spur damals ergebnislos verfolgt. Es gibt in Holt niemanden mehr, der ihn in seinem Haus aufnehmen würde. Auch nicht seine Mutter und schon gar nicht seine Frau Jessie, die sich mit zwei Kindern durchschlagen musste und obendrein noch monatelang von den Bewohnern aus Holt traktiert worden war. Burdette, mittlerweile dick und schmuddelig geworden, braucht nicht lange in seinem protzigen Auto zu warten, bis der Sheriff ihm Handschellen anlegt und ihn abführt. Er leistet keinen Widerstand, offenbar weiß er, dass ihm nichts passieren wird, weil seine Straftaten verjährt sind. Weiterlesen

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Elke Heidenreich: Hier geht’s lang – Mit Büchern von Frauen durchs Leben

Elke Heidenreich und Bücher – diese Verbindung gehört einfach zusammen. In ihrem Buch „Hier gehts lang zeigt sie auf, wie Bücher ihr Leben von klein auf geprägt haben. Das Lesen hat schon früh entscheidenden Einfluss auf ihr Denken und Werden genommen: Hineingeboren in das Kriegsjahr 1943 durchlebte Elke Heidenreich eine entbehrungsreiche Zeit. Vor allem das schwierige Verhältnis zur Mutter, das von wenig Empathie geprägt war, bewirkte, dass die junge Elke sich gern und oft aus dunklen Momenten heraus in ihre Bücherwelten flüchtete. Immer gaben Bücher ihr einen Halt und Kraft.

Als ihr erstes wirkliches Literaturerlebnis führt sie „Die wundersame Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen von Selma Lagerlöf an. Dieses Buch zog sie schon als Zwölfjährige in Bann und vermittelte ihr eine ganz andere Leseebene als die typischen Mädchenbücher wie „Nesthäkchen oder „Trotzkopf.

Später, während ihrer Studenzenzeit, wurde ihr klar, dass Frauen in der Literaturwelt einen schweren Stand in der von Männern dominierten Szene hatten. Dabei war und ist sie von weiblichen Literaten immer viel mehr angetan. Weiterlesen

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