Beim Rezensieren dieses Buches schlagen wieder einmal zwei Herzen in meiner Brust. Stilistisch ist dieser Roman genial, die Sätze sind geschliffen, plastisch, witzig und so nah am Leben, dass es schmerzt. Inhaltlich aber enttäuscht er, es fehlt Spannung, Dynamik, Handlung.
Erzählt werden in Ich-Form die Erlebnisse einer jungen Frau – wir erfahren ihren Namen nicht – die mit Freund und kleinem Kind neu in einer dänischen, sehr dörflich strukturierten Kleinstadt ankommt. Sie ist mit Kind und Dorfleben reichlich überfordert, eckt immer wieder an mit ihrer spontanen, etwas rüpelhaften und viel zu ehrlichen Art, mit ihren leicht sarkastischen Bemerkungen, die an den Bewohnern abprallen wie ein Ball vom Boden. Als roter Faden ziehen sich durch den Roman ihre immer wiederkehrenden, endlosen Fahrstunden, mit denen sie diverse Fahrlehrer verschleißt, das Fahren dabei aber nicht lernt. Das Kind wird derweil bei einer Tagesmutter betreut, die ebenso wie alle anderen um sie herum, nicht mit allerlei Ratschlägen zur Kindererziehung spart.
In Ermangelung nennenswerter Alternativen nimmt sie einen Job als Kummerkastentante bei der örtlichen Zeitung an. Die Briefe, die sie dort erreichen, sowie ihre Antworten darauf, sind zwischen die Handlung des Romans eingeschoben. Diese Texte sind witzig, auch wenn man stets das Gefühl hat, dass sie kaum auf die Anliegen der Sorgenvollen eingeht, sondern meist nur von sich erzählt.
All das wird in einem lakonischen Stil erzählt, immer mit leicht ironischem Unterton, als amüsiere sich die Erzählerin über sich selbst ebenso wie über ihre Umgebung. Wer selbst in einer Kleinstadt oder gar auf dem Dorf lebt, erkennt vieles wieder in ihren Erlebnissen. Die Autorin, die für dieses Buch nicht unverdient ausgezeichnet wurde, schreibt wunderbar, die Sätze, die Beschreibungen, die Worte und Vergleiche sind so präzise, so perfekt passend, dass man die gesamte Atmosphäre spürt.
Aber dennoch hat der Roman auch sehr langatmige, um nicht zu sagen langweilige Strecken. Lange Seiten, in denen nichts geschieht, in denen belanglose, sinnlose Gespräche geführt werden. Im Grunde hat der Roman gar keine Handlung, ist mehr eine wahllos herausgepickte Episode aus dem Leben einer Frau, die vor allem mit sich selbst im Unreinen ist und das an ihrem Umfeld abreagiert.
Alles in allem hat mich der Roman unbefriedigt zurückgelassen.
Stine Pilgaard: Meter pro Sekunde.
Aus dem Dänischen übersetzt von .
Kanon Verlag, Januar 2021.
255 Seiten, Gebundene Ausgabe, 23,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.