Stephen King: Fairy Tale

Charlie verliert seine Mutter sehr früh. Sein Vater ergibt sich dem Suff und Charlie schließt einen Pakt mit Gott: Wenn sein Vater aufhört zu saufen, wird er gute Taten tun. Eine Gelegenheit ergibt sich, als er 17 ist, ein unbeliebter Nachbar hat sich das Bein gebrochen und hätte seine uralte Hündin nicht bebellt, hätte Charlie ihn niemals gefunden. Charlie erfüllt seinen Pakt mit Gott und lernt den alten Mann und vor allem die Hündin Radar schätzen. Als der alte Mann stirbt, ist auch Radar nicht weit davon entfernt, aber es gibt da eine Geschichte und eine Scheune, die Charlie hinterlassen wurden. Und hier fängt das Märchen an. Charlie gelangt auf der Suche nach der geheimnisvollen Sonnenuhr, die verjüngen kann, in die Anderwelt. Es handel sich um ein märchenhaftes Königreich, aber hey, wir lesen King, natürlich liegt darauf gerade ein Fluch. Das Interessante an Charlies Heldenreise hier ist, dass es zwar eine wie aus dem Lehrbuch ist (Held, Ziel, Widerstand, Wachsen), dass er dabei aber ein Held völlig wider Willen ist. Charlies Ziel war es nie, das Königreich vom Fluch zu befreien, das war es noch nicht mal in der Mitte, als er schon einige Bewohner kennen gelernt hatte. Er ist ein guter Mensch, sie tun ihm schon leid, aber er sieht sie mehr so, der der gemeine westliche Mensch auf sagen wir Naturkatastrophen weit weg sieht: Schade, aber nicht zu ändern, lass uns spenden. Genauso hat es übrigens sein Vorgänger gehalten, der dazu selbstkritisch sagte: „Der Feigling macht Geschenke.“ Charlies Ziel ist also mitnichten fluchbrecherisch, er will nur die Sonnenuhr finden, Radar retten und wieder gehen.

Ich bin noch ganz geflasht von dem Buch, dass ich gestern bis zum Ende nicht mehr aus der Hand legen konnte, selbst als Radars Schicksal klar war. Hier merkt man übrigens ganz deutlich den Hundebesitzer King, der schon mehr als einen Hund ins Alter begleitet und mit ihm gelitten hat. Charlies Verwandlung ist großartig beschrieben und daran, dass King schreiben kann, zweifelt ja sowieso niemand. Einziges Manko für mich war Charlies Charakter selber. Er ist mir einfach zu gut. Ja, er zweifelt, ja er erwähnt immer mal wieder seine bösen Taten, aber niemand, kein Leser und kein Protagonist, zieht jemals in Erwägung, dass er dem Bösen im zweiten Brunnen verfallen könnte. Er macht einfach alles richtig und auch im Märchen nervt das ein bisschen.

Ansonsten ist Fairy Tale ein wirklich gelungenes Buch vom Altmeister, der sich hier als Märchenerzähler versuchte. Mit viel Liebe zum Detail arbeitet er die Anderwelt und den Fluch heraus, zeigt auch, dass man Technik in Maßen importieren kann, ohne ihr gleich zu verfallen. Natürlich geht es auch in diesem Buch um das Böse, dass in jedem von uns ist. Wir können ihm nachgeben und werden wie Elden und Petra, oder wir können Charlie bleiben. Die Wahl liegt bei uns.

Stephen King: Fairy Tale.
Aus dem Englischen übersetzt von Bernhard Kleinschmidt.
Heyne, September 2022.
880 Seiten, Gebundene Ausgabe, 28,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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