Stefanie Lasthaus: Schneewittchens dunkler Kuss

Einst war der Vater von Cyntha der Hirte des Lords – bis er eine Heldentat beging. Bei einem verheerenden Feuer rannte er in den Stall und ließ die dort eingesperrten Rinder frei. Seine Tat bescherte ihm schmerzhafte Narben, einen Arm, der kaum mehr zu gebrauchen war und ein Hinkebein. Seitdem zieht er als fahrender Händler durch die Grafschaften, seine Tochter ist bei der Lady beschäftigt. Dass ihre Mutter die Gabe hatte, lässt die einfachen Menschen des Dorfes auf Distanz zu ihr gehen. Überall stößt sie auf Misstrauen und Ablehnung.

Als der Earl eines Tages zu Besuch weilt, hofft sie, dass sie statt des unfähigen Bauern, der gerade als Hirte angestellt ist, den Posten erhält. Doch dann kommt alles anders als erhofft oder erwartet. Der Earl macht ihr, der Hirtentochter, einen Hochzeitsantrag – einen Antrag, den sie unmöglich ablehnen kann.

Auf dem Gut, das zukünftig ihre neue Heimat sein soll, angekommen, trifft sie auf Snow, die Tochter des Earl.

In der Folge werden die Güter immer wieder von einem mysteriösen Nebel heimgesucht – ein Nebel, der menschliche Leichen hinterlässt, denen das Herz aus der Brust gerissen wurde. Ist etwa das legendäre, vor Urzeiten verschwundene Dunkelvolk zurückgekehrt, oder hat vielleicht Snow etwas mit den Taten zu tun? Cyntha muss ihr magisches Erbe nutzen, um den Geschehnissen auf den Grund zu gehen …

Nomen est Omen – der Titel weist bereits darauf hin, dass uns eine moderne Version des Schneewittchen-Märchens erwarten soll.

Nur, Moment jetzt aber auch. Da steht auf dem Buch doch gar nicht Christina Henry drauf, sondern Stefanie Lasthaus, die uns mit „Frau Holles Labyrinth“ bereist einmal in märchenhafte Gefilde entführt hat – und dies, damals zumindest, wahrlich nicht schlecht.

Ansonsten erinnert sowohl die Aufmachung – Hardcover mit verziertem, illustrierten Rundumschnitt und einem märchenhaft daherkommenden Cover – an die Erfolgsbände der amerikanischen Kollegin.

Ist der Auftakt des Romans noch ein wenig langsam angelegt, nimmt die Dramatik und das Tempo in der Folge immer mehr zu. Dabei fußt der Plot zunächst in der Realität. Die Menschen des einfachen Dorfs mit ihrem Misstrauen, ihrer Verwurzelung im Althergebrachten und ihrer Intoleranz bilden den glaubwürdigen Rahmen für die Vorstellung unserer Erzählerin.

Allerdings bleibt diese, trotz der Schicksalsschläge, die sie einstecken muss, doch recht blass. Zwar lernen wir sie kennen, wie sie mit einem Knüppel in der Hand Jugendliche aus ihrer einstigen Hütte im Wald, die auch ein Opfer der Flammen wurde, verjagt, doch dann bleibt sie lange zu zögerlich.

Geschickt dagegen die Umkehrung der Vorlage – nicht die Schwiegermutter ist die Böse, sondern die Stieftochter darf diese Rolle übernehmen. Dieser Switch war ebenso einfach wie überraschend und verleiht dem Plot Würze.

Manko bleiben allerdings die Figuren, die insgesamt zu flach ausgestaltet wurden, sowie die letztlich doch zu vorhersehbare Handlung.

Alles in allem eine kleine Enttäuschung, deutet die Verfasserin doch ihr Können so manches Mal an, setzt die guten Ansätze dann aber leider nicht dauerhaft stimmig um.

Stefanie Lasthaus: Schneewittchens dunkler Kuss
Heyne Verlag, November 2023
460 Seiten, gebundene Ausgabe, 18,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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