Sophie Villard: Cartier: Der Glanz von Gold

Paris 1918. Der schreckliche Krieg ist vorüber, so nach und nach normalisiert sich das Leben in der Stadt, die Wirtschaft nimmt wieder Fahrt auf, die Menschen blicken zuversichtlich in die Zukunft. Auch die Familie Cartier erhofft sich, ihr Unternehmen zu neuem Glanz erblühen zu sehen. Jeanne Toussaint, der Louis, der älteste der drei Brüder, „La Maison“ in Paris anvertraut hatte, in der Hoffnung, nein, Gewissheit, dass sie alles Menschenmögliche tun würde, das Geschäft durch den Krieg zu bringen und am Leben zu erhalten, hat erfolgreich bewiesen, dass Louis‘ Vertrauen in sie nicht enttäuscht wurde. Zu Recht hofft sie jetzt natürlich auf entsprechende Anerkennung, auf ihr privates Glück mit Louis, dessen Geliebte sie schon so lange ist. Sehr zum Missfallen seiner Familie in London und New York zwar, aber auch die Brüder und ihre Ehefrauen müssen anerkennen, was Jeanne für das Unternehmen geleistet hat. Jeanne bekommt Anerkennung, aber nicht in Form des so sehnlich erhofften Rings am Finger, sondern in Form einer Beförderung. Sie wird in Zukunft die Silber-Abteilung des Unternehmens leiten.

Eine Beförderung, die von ihrem schärfsten Konkurrenten, dem Chefdesigner Moreau mit einem milden aber hämischen Lächeln quittiert wird. Er hat sich vorgenommen, Jeanne das Leben nicht leicht zu machen und ihr zu zeigen, wer der bessere Designer ist. Jeanne ist ob dieser beruflichen Anerkennung zwar stolz, privat aber zutiefst gekränkt. Nur dank der Unterstützung ihrer Freunde Misia, Cocteau und allen voran Coco Chanel, hält sie durch und arbeitet noch mehr als bisher schon. Schluckt ihren Ärger runter und beweist jeden Tag wieder, dass sie für „Cartier“ lebt. Louis weiß genau, was er an ihr als Designerin hat und was sie für das Unternehmen leistet, aber seine Gefühle reichen offenbar nicht aus, Jeanne gegen den Willen seiner Familie zu seiner Frau zu machen. Als er Jacqueline, eine junge ungarische Gräfin kennenlernt, ringt er mit sich und seinen Gefühlen. Er will Jeanne nicht wehtun, aber er hat sich unsterblich in die Ungarin verliebt. Bei einem letzten Tango im „Moulin Rouge“, wo damals ihre Liebe ihren Anfang nahm, macht er offiziell Schluss mit Jeanne, die darauf in ein tiefes Loch stürzt und viele Tage braucht, um überhaupt wieder weiterleben zu wollen. Nur dank ihrer Freunde kehrt sie zurück und nimmt sogar ihre Arbeit bei Cartier wieder auf, wo sich einiges verändert hat. Louis will sich mehr und mehr zurückziehen, in Ungarn leben und hat seinen jungen Schwiegersohn in die Geschäftsführung aufgenommen, was sich als schwerer Fehler erweisen soll. Wieder ist es Jeanne, auf die er zählen kann.

Jeanne hat viel erreicht in ihrem Leben. Dass sie einmal in die Chefetage bei „Cartier“ aufsteigen würde, hatte sie in ihren kühnsten Träumen nicht erwartet. Aber eben nur beruflich. Privat wurde sie immer wieder vom Leben enttäuscht. Ob es ein Trost sein kann, dass Louis ihr auf dem Sterbebett sagt, dass sie die Liebe seines Lebens gewesen ist? Wohl kaum.

Ein fesselnder Roman um die Geschichte des Hauses „Cartier“ in den „Goldenen 20-ern“ und danach, Wiederaufstieg zu neuem Glanz nach dem Ersten Weltkrieg, der Kampf ums Überleben dann später noch einmal. Die Figur der Jeanne ist zwar fiktiv, aber Louis und seine Brüder, seine Familie sind real und sehr gut dargestellt. Wir begegnen Stars und Künstlern dieser Zeit, wie Rudyard Kipling, der bereits im ersten Band als Freund von Jacque auftaucht, Coco Chanel als enger Freundin von Jeanne, George Gershwin, Ernest Hemingway, James Joyce, Pablo Picasso oder Alfred Hitchcock, erleben eine pulsierende Zeit in Paris und anderswo, fühlen uns mittendrin im Leben und Treiben. Flüssig und sehr anschaulich geschrieben, mitreißend und berührend.

Die wesentlichen Figuren, wie auch die wichtigsten Schmuckstücke des Hauses Cartier, die man auch heute noch erwerben kann, werden im Anhang noch einmal detailliert dargestellt und beschrieben.

Sophie Villard: Cartier: Der Glanz von Gold
Penguin; Juli 2025
432 Seiten; Paperback, 16,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.