Eine etwas andere Art von „Toy-Boy“-Story: Die 62-jährigen Witwe Rina betreibt einen kleinen Waschsalon in Modena, auf den sie sehr stolz ist. Für sie bedeutet er ein relativ selbst bestimmtes Leben und finanzielle Unabhängigkeit von ihrem Mann Osvaldo, der vor zwei Jahren gestorben ist. Sie bekocht ihren planlosen Sohn, dem kein Studium oder Job zu liegen scheint, schlendert über den Markt, trifft sich mit ihrer Schwester Ada und schaut gerne Fernsehserien an. Rina stellt keine großen Ansprüche mehr an das Leben – oder gar an die Liebe. Dies ändert sich schlagartig, als der attraktive Mittdreißiger Donato in ihren Waschsalon spaziert…!
Donato, Manager bei Maserati, benötigt dringend eine Hemdenreinigung. Eingefangen von seinem weltgewandten Charme, verschiebt Rina ihm zuliebe einen Auftrag. Bald erscheint Donato zwei Mal pro Woche in Rinas Waschsalon, sie trinken Espresso und unterhalten sich. Rina ist fasziniert von seinen Geschichten, schätzt aber auch, dass er Anteil an ihrem Leben nimmt. Seit langer Zeit fühlt sich Rina wieder als Frau wahrgenommen. Bald stellt sie fest, dass durchaus mehr Gefühle im Spiel sein könnten…
Schlagartig gerät das Leben der geordneten Rina völlig aus des Fugen. Die Episode mit Donato zwingt sie dazu, sich wieder mit ihrer ersten Liebe zu befassen, die sie nie ganz überwunden hat. Ihren Mann Osvaldo hat sie nur geheiratet, um darüber hinwegzukommen und ihrer jüngeren, unverheirateten Schwester, die schwanger wurde noch bevor ihre ältere Schwester unter der Haube war, einen Skandal zu ersparen. Doch der Vernunftehe war nicht viel Glück beschieden. Als zudem ihre Freundin Giovanna während ihres Selbstfindungstrips durch Indien eine Affäre mit einem blutjungen Inder eingeht, reifen in Rina revolutionäre Gedanken. Hat sie nicht ein Recht auf spätes Glück? Rina beginnt, Donatos Komplimente zu genießen, nimmt seine kleinen Geschenke und VIP-Einladungen gerne an. Doch wie steht es eigentlich mit seinen Gefühlen?
Die neue, aufgeweckte und selbstbewusste Rina passt nicht jedem in dem Kram. Rina wird eine Affäre angedichtet und zum Mittelpunkt von Tratsch und Klatsch. Aus den Reaktionen des Umfeldes bezieht das Buch seinen größten Witz. Ihre Schwester Ada, selbst verwitwet, reagiert eifersüchtig. Söhnchen Samuele fühlt sich um seine Privilegien im „Hotel Mama“ gebracht. Witwer Nello, der seit Jahren ein Auge auf Rina geworfen hat, reagiert eingeschnappt. Die drei planen ein Komplott, um Rina wieder auf den „rechten Weg“ zu bringen. Das geht gehörig schief.
Simona Morani hat ein heiteres Buch mit nachdenklichen Untertönen geschrieben. Es widmet sich dem vielschichtigen, heiß diskutierten Thema „Alter“ auf unverkrampfte und doch ernst zu nehmende Art. Was tun, wenn Körper und Seele unterschiedlich altern? Wenn im faltigen Körper noch jugendlicher Leichtsinn steckt sowie sinnliche Gefühle, die ausgelebt werden wollen? Wer definiert Alter und Schönheit? Was heißt überhaupt sich „dem Alter entsprechend“ verhalten?
Gewiss, viele Erkenntnisse sind nicht neu, doch sehr amüsant geschrieben. Allein schon das Setting in Italien verleiht dem Roman eine gewisse Leichtigkeit. Auch die Pointen sitzen. Übermotivierte Tanzeinlagen enden im Krankenhaus, fiese Überraschungspartys schießen über das Ziel hinaus, der örtliche Friseursalon wird zur wildwüsten Klatsch-Base umfunktioniert.
Weiteres Plus: Mit Rina hat die in München lebende Journalistin und Übersetzerin Morani einen sympathischen Charakter erschaffen, mit dem wir Leser von Anfang an mitfiebern. Auch die weiteren Figuren sind so verschroben wie liebenswert. Damit setzt die in der Emilia-Romagna geborene Autorin nach „Ziemlich alte Helden“ ihren Erfolg mit weiteren betagten Protagonisten fort.
Fazit: Ein amüsantes, liebevolles Buch, das überdies für jede Altersgruppe bestens geeignet ist. Verpatzte Chancen und verlorene Liebschaften sind schließlich generationenübergreifende Themen. Und das Motto „Je oller, desto doller!“ hat schon bei den (Anti-)Helden aus dem Norden, rund um Ove und den Hundertjährigen, bestens funktioniert.
Simona Morani: Der Waschsalon des kleinen Glücks.
C. Bertelsmann Verlag, Mai 2018.
176 Seiten, Taschenbuch, 13,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.