Julia Schoch: Das Liebespaar des Jahrhunderts

Die deutsche Schriftstellerin und Übersetzerin Julia Schoch (Jahrgang 1974) erhielt kürzlich den Schubart-Preis 2023 für ihr Buch „Das Vorkommnis“ aus dem Jahre 2022. Es ist das erste Buch einer Trilogie, die den Untertitel „Biographie einer Frau“ trägt. Am 16. Februar 2023 ist der zweite Teil „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ bei dtv erschienen.

Darin beschließt die Ich-Erzählerin nach dreißig Jahren Beziehung: „Ich verlasse dich.“

Sie denkt diesen Satz mit den drei Worten, spricht ihn jedoch nicht aus. Vielmehr gerät sie ins Erinnern: was ist aus dem „Ich liebe dich“ des Anfangs geworden?

Dabei wandelt sie auf den Spuren der Vergangenheit. Geht zurück zum ersten Kennenlernen, zum ersten Vanilletee. Schoch beschreibt die große, aufregende Liebe zwischen ihren Figuren während des Studiums, während der Auslandsaufenthalte in Paris und Bukarest und die langsame, aber stetige Ernüchterung im schnöden Alltagsleben zwischen Geld verdienen, Kinder kriegen und Verantwortung tragen:

„Ich habe einen Wimpernschlag gebraucht, mich in dich zu verlieben, und dreißig Jahre, um Gründe dagegen zu sammeln.“ (S. 65)

Schochs Ich-Erzählerin reflektiert die Langzeitbeziehung subjektiv, die Sicht des Partners bleibt unerzählt. Lange schwelgt sie in der Euphorie des Anfangs, in dem Besonderen ihrer Liebe, in der Abgrenzung zu anderen Paaren. Sie fühlen sich wie „das Liebespaar des Jahrhunderts“. Langsam schleichen sich Abnutzungserscheinungen in die Liebe. Nichts Boshaftes, Gemeines passiert, doch der Trott, das Fade nagen an der Beziehung, und bald ist der Gedanke an eine Trennung für die Protagonistin gar nicht mehr erschreckend. Und dennoch zögert sie, sammelt die guten Eigenschaften ihres Partners und bleibt.

Julia Schochs „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ reiht sich ein in die aktuell so beliebte Form des autofiktionalen Erzählens. Das ruft bei mir als Lesende zunächst Langeweile hervor. Wo bleibt die Phantasie, wo sind die Ideen und die Gedankenspiele der Schriftstellerinnen und Schriftsteller? Müssen nun alle von sich erzählen?

Jedenfalls erzählt Julia Schoch prächtig. Und vertreibt jede Langeweile im Ansatz. Sie füllt die „Biographie einer Frau“ mit Erinnerungen an gute und schlechte Zeiten, sie leuchtet die Liebes- und Paarbeziehung hell aus und sie wirft einen tiefen Blick in weibliche Denk- und Verhaltensmuster. Das kommt mir häufig bekannt vor. Das weckt mein Interesse dafür, wie die Figur aus dem Dilemma des Bleibens oder Gehens herauskommen mag. „Ich verlasse dich“, nur drei Worte, leicht gedacht und doch so schwer in die Tat umzusetzen:

„Dennoch, und gleichsam wie nebenbei, war ich noch immer auf der Suche nach dem richtigen Zeitpunkt. Angefacht von Tageslaunen, schlechten Nachrichten oder Langeweile loderte die Möglichkeit, dich zu verlassen, gewohnheitsmäßig in mir hoch. Ich bin mir sicher, dass es so war.“ (S. 143)

Doch wann ist der richtige Zeitpunkt? Und gibt es ihn überhaupt, den richtigen Zeitpunkt? Dieses Überlegen, Abwägen, Hin- und Her-Fühlen fasst Julia Schoch in ebenso klare wie eindrückliche Worte. Herausgekommen ist kein Handbuch über das Scheitern einer Liebesbeziehung, sondern eine Geschichte über den Wandel in der Liebe und im Leben.

Julia Schoch: Das Liebespaar des Jahrhunderts.
dtv, Februar 2023.
192 Seiten, Hardcover, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.