Sie gehörte zu den besten Soldaten, die die Marines jemals im Cockpit eines Kampfhubschraubers hatten. Die Rede ist von Alexandra, eine toughe Frau, die sich ihren Weg immer erkämpfen musste, der nichts geschenkt wurde, und die es geschafft hat.
Bis, ja bis sie beim Einladen ihrer Einkäufe auf dem Supermarkt-Parkplatz von einem verblödeten Redneck überfahren wurde. Die mehrfachen Arm- und Beinbrüche verheilten, die dreifach gebrochene Wirbelsäule fesselte sie dauerhaft ans Bett. Zur Regenration ihrer Nerven wäre wäre absolute, mehrjährige Ruhe nötig – etwas, das man außer im Koma nicht erreichen kann. Doch selbst im Koma erreichen Nervenimpulse den Körper, bewegt sich dieser, wenn auch minimal. Eine Heilung scheint daher ausgeschlossen. Der Kybernetiker Dr. Jensen bietet ihr einen Ausweg an. Wenn man ihr Bewusstsein komplett in ein Online-Rollenspiel übertragen würde, könnte sie dort, in der Virtual Reality leben, während ihr Körper die Chance erhielt, sich selbst zu heilen.
Gesagt, getan – Alexandra wird nach Vorena versetzt, und darf fürderhin Abenteuer, Questen und Kämpfe bestehen – nur, dass sie die Welt, ihre virtuellen Bewohner, wie auch die ihr zu Hilfe eilenden alten Kameraden und ihre Kräfte liebgewinnt, war so zumindest nicht vorgesehen …
Ich muss zugeben, dass ich mich weder mit Rollenspielen, noch mit PC-Games auskenne. Insoweit betrat ich mit vorliegendem Band für mich Neuland. Allerdings macht es uns Richard Schwartz recht einfach, sich in dem Umfeld des Games einzufinden. Geschickt lässt er immer wieder Infos zu gängigen Abläufen derartiger Spiele einfließen, so dass auch Leser, die mit dem Rollenspiel und / oder PC-Games noch keinen Kontakt hatten, die entsprechenden Vorgänge und Besonderheiten gut nachvollziehen können. Schwartz selbst kommt aus der Rollenspielszene, weiss also, von was er schreibt.
Nach seinen Mega-Erfolgen um Askir und Lythar, und der leider nicht fortgesetzten Aryn Saga nun also ein Neustart. Inhaltlich bleibt sich der Autor, sieht man von der Rahmenhandlung des Games ab, treu. Sprich, ähnlich wie in Askir folgen wir einer Gruppe von Helden in eine archaische Welt um dort Abenteuer, Questen genannt, zu bestehen. So erwartet den Leser eine gewohnte Umgebung und auch die auftretenden Rassen sind wohlbekannt.
Der Plot selbst konzentriert sich fast zur Gänze auf unsere Erzählerin, die gewohnt routiniert und mitreißend agiert. Ihre Kameraden bleiben zunächst noch im Hintergrund, hier werden die Folgebände sicherlich noch genutzt, um diese detailreicher auszuarbeiten. Was dem Roman allerdings, im Gegensatz zu den gepriesenen Sagen des Autors ein wenig fehlt, das ist ein zugrundeliegendes, faszinierendes Geheimnis. Zwar wird angedeutet, dass die Menschheit selbst vor einem Scheideweg steht, dass die Bewährung Alexandras, respektive ihres Geistes innerhalb der Welt in den Quantencomputern, wichtig ist, allerdings bleibt dies bislang noch ein wenig diffus. Auch die Fragen, ob des moralisch vertretbar ist, Menschen die in der wirklichen Welt als Psychopathen schreckliche Verbrechen begangen haben, und deren Taten bei dem Einloggen auffielen, an die Rechtsverfolgung zu übergeben oder durch die versprochene Anonymität zu schützen, wirkt – noch – ein wenig aufgesetzt.
Insgesamt legt Richard Schwartz mit vorliegendem Roman einen soliden, flüssig und spannend zu konsumierenden Auftakt einer neuen Reihe vor, mit der Verlag wie Autor sicherlich auch auf die wenig lesende Gamer-Szene zielen. Inhaltlich geht der Autor keine Risiken ein, offeriert ein stromlinienförmiges Abenteuer-Garn, dem bislang noch ein wenig das Besondere, das Schwartz´ Romane sonst ausgezeichnet hat, fehlt.
Richard Schwartz: Die Eisraben-Chroniken 01: Fluchbrecher.
Piper, Oktober 2018.
480 Seiten, Taschenbuch, 17,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.