Ist es nun ein Krimi, ein Thriller oder eher ein Psychogramm? Der Roman setzt in gewisser Weise die Reihe um die Kommissarin Hulda fort, auch wenn sie in diesem Band nur eine Nebenrolle spielt.
Hauptfigur ist Helgi, dem man im dritten Band um Hulda bereits begegnet ist, denn er wird ihr Nachfolger im Kommissariat. Doch noch ist es nicht soweit, noch arbeitet Helgi an seiner Abschlussarbeit des Studiums. Das Thema, das er sich gewählt hat, beschäftigt sich mit einem sogenannten Cold Case, einem ungeklärten Mordfall vor dreißig Jahren. Damals wurde in einem Tuberkulosekrankenhaus eine Schwester ermordet, später kam noch ein weiterer Todesfall hinzu.
Der Autor erzählt die Geschichte auf mehreren Zeitebenen und aus verschiedenen Perspektiven. So verfolgen wir einerseits die Recherchen Helgis, der sich bemüht, die Zeugen von damals zu treffen und zu befragen. Zum anderen erleben wir die damaligen Geschehnisse aus der Sicht von Tinna, einer Krankenschwester, die zur Zeit des Mordes in der Klinik arbeitete, sowie aus den Blickwinkeln einiger anderer Zeugen. Schließlich gibt es noch eine weitere Zeitebene, die Ereignisse in dem Tuberkuloseheim lange vor den Morden schildert.
Für mich war genau dieser häufige Perspektiv- und Zeitwechsel das Problem, der Grund, warum der Roman für mich nicht funktioniert. Man bekommt keinen Zugang zu den Zeitebenen, da immer dann, wenn man sich eingelesen hat, die Ebene wechselt. Genauso ergeht es mit den Figuren.
Es geschieht nicht viel, es gibt vor allem viel Selbstreflektion der Beteiligten, vor allem Helgi ist mehr mit sich selbst als mit dem Fall beschäftigt. Und er ist nicht sehr sympathisch. Überhaupt gibt es im gesamten Roman keine wirklich sympathische Figur, alle sind irgendwie dubios, verdächtig, merkwürdig.
Da nicht viel geschieht, entwickelt sich auch keine große Spannung. Mir war der gesamte Roman etwas zu langatmig, es gab zu wenig Handlung. Viele Dialoge sind merkwürdig abgehoben, tragen nichts zur Sache bei.
Vielleicht ist es wie so oft bei Serien: an die Qualität des ersten Bandes anzuschließen ist nie einfach. Für mich ist der erste Band der Hulda-Trilogie der beste der Romane von Ragnar Jónasson und wird es bleiben, auch nach der Lektüre von „Frost“.
Ragnar Jónasson: Frost.
Aus dem Isländischen übersetzt von Anika Wolff.
btb, November 2021.
304 Seiten, Taschenbuch, 16,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.