Seitdem Mercy Thompson und ihr Mann, der Alpha des örtlichen Werwolf-Rudels, offiziell den Schutz der Tri-Cities vor den Übergriffen der übernatürlich begabten Wesen übernommen haben, ist ihr Leben noch ein klein wenig interessanter geworden. Mit Hexen und Zombies, Vampiren und Feen hatten sie es ja bereits zu tun, auch ein paar alte Götter haben schon vehement an ihre Tür geklopft, jetzt im neuen Roman von Patricia Briggs, „Seelendieb“, aber bedroht etwas Uralters die, denen sie Schutz versprochen haben und im weiteren Verlauf auch sie selbst.
Ein Jahrtausende altes Artefakt, das sich seine Träger untertan macht, wurde in Tri-Cities platziert – eine Sichel, die Seelen vom geschlachteten Körpern im Diesseits bindet, eine Sense, die ihr ultimatives Opfer zu Ehren eines längst in den Zeiten vergessenen Erntegottes auserwählt und gekennzeichnet hat – Mercy soll als Opfergabe dienen, als letzte, ultimative Gabe um den Weltenfresser wieder in die Welt zu holen …
Die Auto-Mechanikerin Mercy Thompson, nach dem Abschaltskandal nicht mehr ganz so begeistert wie bislang von Volkswagen, hat bewiesen, dass sie mit beiden Beinen fest auf der Erde steht. Seitdem sie den Alpha des Werwolfrudels geheiratet hat, zog ein gewisses Maß an Sitcom Elementen in die Handlung ein. Allerdings, dies unterscheidet die Reihe dann von den allermeisten Konkurrenten, setzt Patricia Briggs diese, ebenso wie wohltuend kurz und stimmungsvoll gehaltene Liebesszenen sehr dosiert ein. Im Zentrum steht – wie immer – die Bedrohung Unschuldiger, der sich Mercy mit aller Kraft entgegenstellt.
Briggs hat sich dabei ganz bewusst auf europäische, genauer teutonische Überlieferungen gestützt. Sei es der Dunkle Schmied oder andere mystische Wesen und Überlieferungen, sie hat sowohl bei den Gebrüdern Grimm als auch in den Überlieferungen der Nibelungen geforscht und stößt immer wieder auf neue, unbekannte Motive.
Kürzungen wären möglich gewesen
Allerdings nimmt sie sich vorliegend mehr Platz als wir es sonst von ihr gewohnt sind. Insoweit hat sie Raum, den sie dann für so manches Mal letztlich unnötige Side-Plots verwendet, in denen sie uns letztlich für diese Handlung unnötige Figuren vorstellt und Details vermittelt. Es mag sein, dass sie hier schon die Grundlage für die Fortführung ihrer Saga legt, letztlich hätte man den Roman mühelos um ein Fünftel kürzen können.
Dass sie dabei dann die Kurve bekommt und uns erneut einen packenden Plot präsentiert, beweist ihr Talent. Die Handlung wird letztlich befriedigend – wenn man davon absieht, dass der Oberbösewicht erst einmal entwischt – abgeschlossen, die Sympathieträger gerettet, Geheimnisse, bekannter wie neuer Figuren, aufgedeckt und ein weiteres Kapitel im so interessanten wie gefährlichen Dasein von Mercy Thompsons erzählt.
Patricia Briggs: Seelendieb – Mercy Thompson 13
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Vanessa Lamatsch
Heyne, April 2023
459 Seiten, Taschenbuch, 11,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.