Neil Sharpson: Ecce Machina

In der ganzen Welt leben KIs mit Menschen als vollwertige Mitbürger Seite an Seite. Entweder in gezüchteten Körpern oder in der digitalen Welt, wo auch Menschen ihr Bewusstsein hochladen können, seit die menschliche Seele auf Einsen und Nullen reduziert werden konnte. Überall auf der Welt – außer in der Kaspischen Republik. Das Land liegt abgeschottet am Kaspischen Meer und wird von einer totalitären Regierung geführt, die es sich zum Ziel gesetzt hat, jegliche intelligente Technologie aus dem Land fernzuhalten. Und sei es durch Gewalt gegen seine eigenen Bürger.

In diesem Staat lebt Agent Nikolai South. Er ist Agent bei der StaSich, was zwar weniger brutal als die ParSich ist, aber trotzdem eine Organisation, der man besser aus dem Weg geht, sollte man sich kritisch zur Regierung geäußert haben. South hat wenig Ambitionen. Seit 26 Jahren ist er nicht befördert worden und lebt still und unauffällig vor sich hin. Das Interessanteste an ihm war seine Frau, doch die ist bereits vor Jahren gestorben.

Als er dann auf einmal als Bewacher einer Frau angeheuert wird, erlebt er den großen Schock seines Lebens: Nicht nur dass Lily eine Maschine ist, eine künstliche Intelligenz – sie sieht auch noch genauso aus, wie Souths verstorbene Frau!

In einer Welt, in der man niemandem trauen kann, weil es kein Gut und Böse gibt und beide Seiten einen für seine Anschauungen beseitigen wollen, muss Nikolai South sich entscheiden, ob er bereit ist, alles hinter sich zu lassen, woran er jemals geglaubt hat.

Aktueller Science-Fiction-Roman

„Ecce Machina“ ist ein Science-Fiction-Roman, der aktueller gar nicht sein könnte. Das Thema KI ist durch ChatGPT und co so präsent wie noch nie in unserer Gesellschaft und auch wenn es Romane mit dieser Thematik wie Sand am Meer gibt, hebt sich dieser hier ab. Denn die typische schwarz-weiß Darstellung existiert nicht. Die neuen Technologien sind nicht „böse“. Die Menschen, die außerhalb der Kaspischen Republik wohnen, führen ein angenehmes, friedliches Leben voller Reichtum.

Es ist interessant, eine Perspektive zu lesen, in der die Menschen das Problem sind, nicht die Maschinen. Dadurch, dass wir dennoch so geprägt von der dystopischen Vorstellung des technischen Fortschritts sind, entwickelt sich „Ecce Machina“ zu einem Roman, über den man ernsthaft nachdenken muss und der eine zweiseitige Argumentation verfolgt, ohne die eine Seite überhaupt zu nennen. Anders ausgedrückt: Der Leser denkt, die Maschinen sind die Bösen, das Buch sagt, die Maschinengegner sind das eigentliche Problem. So wird die Linie zwischen Gut und Böse aufgehoben. Ein unglaublich spannender Ansatz, der fesselt und schockiert. Nichts für schwache Nerven, aber definitiv das Lesen wert!

Neil Sharpson: Ecce Machina.
Aus dem Englischen übersetzt von Simon Weinert.
Piper, April 2023.
416 Seiten, gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Isabella M. Banger.

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