Konrad Kröterich von Keks führt ein sehr beschauliches Leben und es ist sehr klar: Seine liebste Gesellschaft ist er selbst. Er lebt alleine in seinem Haus und wenn er sich einsam fühlt, stellt er sich vor seinen Spiegel und genießt es, Zeit mit einem Gleichgesinnten zu verbringen. Das einzige andere Lebewesen, das er leiden kann, ist seine Petunie. Bis er eines Morgens aufgeregt aus dem Bett springt, weil er von der allerschönsten Umarmung geträumt hat. Kurzentschlossen macht er sich auf die Suche, nach diesem perfekten Gefühl, das im Traum so angenehm war, doch all seine Bekannte machen irgendetwas falsch. Die Giraffe ist zu groß, der Fisch ist zu nass und überhaupt fühlt sich alles nicht richtig an. Auch als er dazu übergeht, Fremde zu umarmen, ist immer etwas nicht richtig. In seiner verzweifelten Suche stellt er irgendwann eine Annonce in die Zeitung, die so viel Aufmerksamkeit bekommt, dass neben einer großen Menge an Tieren auch ein Reporter vom Fernsehen im Park eintrifft. Zum Glück, denn gerade er ist es, der Konrad Kröterich genau im richtigen Moment zeigen kann, was eine Umarmung wirklich bedeutet.
Ich muss leider sagen, dass mich dieses Buch etwas irritiert hat. Es ist eine sehr niedliche Geschichte mit tollen Illustrationen, keine Frage. Aber der Protagonist Konrad Kröterich ist extrem unsympathisch und wirklich ekelhaft zu seinen Freunden, die versuchen, ihm zu helfen, während er nur an seine eigenen Sorgen denkt. Keine Frage: Diese Details können mit der Geschichte zusammen ganz wundervoll interpretiert werden: Konrad Kröterich sucht falsch nach diesem Gefühl, das er vermisst, er versteht nicht, dass eine Umarmung nicht bloß die leere Geste ist, sondern im richtigen Moment und von Herzen kommen muss. Sein bisheriges Leben ist eine schöne Metapher für das gleiche Bild, denn sich selbst im Spiegel zu sehen, ist keine Gesellschaft, es geht hier wieder nicht um die pure physische Anwesenheit, sondern um jemanden, der für einen da ist und sich über die Anwesenheit des anderen freut. Soweit ist das Buch wirklich schön durchdacht – aber seien wir ehrlich: Welches Kind im Bilderbuchalter wird so etwas in der Geschichte sehen? Was das Kind versteht, ist: Sei gemein zu deinen Freunden und jammere so lange, bis du bekommst, was du haben willst. Der pädagogische Mehrwert entzieht sich mir hier.
Was weiterhin nicht für Kinder ist, ist die Darstellung der Kuh. In seiner Phase der Fremden-Umarmung findet Konrad Kröterich die Umarmung der Kuh zu weich, laut Darstellung aufgrund ihres üppigen Dekolletés. Erstens hat die Darstellung weiblicher Brüste in einem Bilderbuch für Kleinkinder meiner Meinung nach eher weniger verloren, zweitens ist die Aussage, dass man jemanden aufgrund seiner ausladenden Oberweite nicht umarmen will keine Message, die ich meinen Kindern mitgeben werde. In weiteren Bildern taucht die Kuh erneut auf, jedes Mal umarmt von einem Tier, das entweder sehr zufrieden grinst oder genießerisch die Augen verdreht. Lustig für Erwachsene, nichts für das Kinderzimmer. Das hier ist ein Buch, in dem sich Tiere umarmen! Es wird ja wohl noch irgendwas mit flauschigem Fell zu finden sein, das zu weich ist …
Auf der anderen Seite hat das Buch diese harte Kritik auch nicht verdient. Die Geschichte hat eine echte Aussage, die einem erwachsenen Leser sofort klar wird und die zum Nach- und Umdenken anregt, gerade in unserer heutigen Zeit, wo wir alle Distanz ausleben, wo wir können. Vielleicht merken wir durch dieses Buch, das uns etwas fehlt. Außerdem sind die Illustrationen die liebevollsten, humorvollsten, die ich seit langem in einem Kinderbuch gesehen habe. Was ich auszusetzen habe, lässt sich im Wesentlichen auf das Alter der Zielgruppe herunterbrechen. Ich sehe dieses Buch nicht als Kinderbuch, es ist eher etwas, was man Erwachsenen schenken kann, die sich einsam fühlen oder denen man einfach eine dauerhafte Umarmung schenken möchte. Meine einundzwanzigjährige Mitbewohnerin hat sich zum Beispiel sehr darüber gefreut.
Oren Lavie, Anke Kuhl: Konrad Kröterich und die Suche nach der allerschönsten Umarmung.
Aus dem Englischen übersetzt von Mathias Jeschke.
Sauerländer, Juli 2022.
40 Seiten, Gebundene Ausgabe, 16,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Isabella M. Banger.