Die schottische See ist bekannt dafür, dass es hier stürmisch und unwirtlich zugeht. Ausgerechnet hier, auf der kleinen vorgelagerten Insel Saint Hilma existieren seit Generationen mehrere Elite-Internate, auf denen die Zöglinge, zumeist aus begüterten Familien stammend, auf die zukünftige Rolle in der Society vorbereitet werden.
Ari kommt aus einem nicht unbedingt typischen Haushalt. Siese Familie kann sich den Aufenthalt kaum leisten, kratzt mühsam jeden Penny zusammen, um das hohe Schulgeld zu bezahlen. Dass Ari sich kürzlich als nicht-binär und transmaskulin geoutet hat, erschwert die Situation für sies weiter.
Vor einigen Jahren verunglückten drei Studenten eines Nachts, als diese die baufällige Ruine eines Turms an der Küste bestiegen und zusammen mit diesem in die Wellen stürzten.
Jetzt sieht Ari plötzlich die Verstorbenen. Zunächst vereinzelt, tauchen sie am Strand, auf dem Weg zur Ruine und im Spiegel auf. Während Ari und ihre Kommilitonen die Aufführung von Shakespeares „Sommernachtstraum“ proben – Ari gibt Oberon – wird sies mit ihren Freunden immer tiefer in die Heimsuchungen gezogen …
Akademie-Titel waren en vogue. Eigentlich schienen die großen Zeiten von Hogwarts und Co vorbei, doch ab und an erscheinen noch neue, ein wenig andere Werke, die sich des Sujets bedienen.
Stoffers weidet zunächst weidlich in bekannten Stereotypen – die karge, windumtoste schottische Insel als Handlungsort, das darauf stehende, altehrwürdige Gemäuer mit der Lehranstalt, die Animositäten unter den Schülern – kennen wir alles.
Aber schon die Vorstellung von Ari erweist sich als interessant. Nicht-binär, transmaskulin heißt, für die, die es nicht wissen, dass der Mensch sich als maskulin definiert, bei Geburt aber weiblich zugewiesen wurde.
Hier hat Stoffers wohl ihre eigenen Erfahrungen in ihren Erzähler mit aufgenommen und gibt uns so einen sehr intimen Einblick in die sehr schwierige Gefühlslage, die dieses Coming-out für die Person, wie ihre Umgebung bedeutet. Hin- und hergerissen zwischen der alten und der neuen Identität ist die Situation für den Menschen belastend – gut, dass Ari im Buch viel Unterstützung durch siere Freunde erhält.
Stoffers nutzt den Handlungsort, um uns, atmosphärisch dicht, ihre Geistergeschichte zu erzählen. Im Verlauf der Ereignisse lernen die vier Hauptfiguren zusammenzustehen, sich den übernatürlichen Geschehnissen zu stellen. Diese Entwicklung hat Stoffers sehr gut nachvollziehbar und glaubwürdig ausgeführt. Mit hinein verpackt hat sier dann Problembereiche wie Mobbing, Akzeptanz, Toleranz und den Wert von Freundschaft und Zusammenhalt. So ist dies ein Young-Adult Roman, der sich Motive der Dark Academia bedient, dabei wichtige Themen aufgreift, gruselt und mit der interessanten Hauptfigur besticht.
Noah Stoffers: A Midsummers Nightmare
Knaur Verlag, Februar 2024
446 Seiten, Taschenbuch, Euro 16,99
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.