Der amerikanische Bestseller-Autor Nicholas Sparks ist die männliche Antwort auf Rosamunde Pilcher. Im Kino läuft gerade die Verfilmung seines Buchs „The Choice – Bis zum letzten Tag“, und soeben ist sein neuer Roman erschienen: In „Wenn Du mich siehst“ betritt der 50-jährige Neuland.
Nach 17 Liebesromanen schreibt der Romantik-König einen Thriller. Zumindest teilweise, denn „Wenn Du mich siehst“ ist ein Zwitter: zur Hälfte eine Liebesgeschichte, zur anderen Hälfte ein Krimi.
Die Liebesgeschichte zwischen der jungen Anwältin Maria und dem ehemaligen Schläger Colin zieht sich über rund 300 der 600 Seiten. Klar ist dies ein ungleiches Paar: Colin ist zu Hause rausgeflogen und untergeschlüpft bei Freunden, er boxt sich durchs Leben. Maria ist die erfolgreiche Tochter mexikanischer Einwanderer und Restaurantbesitzer. Einsam sind beide.
Als Maria nachts auf einer einsamen Landstraße eine Reifenpanne hat, tritt Colin in ihr Leben. Aber das Kennenlernen und Verlieben trägt die langatmige erste Hälfte nicht. Die anderen Liebesromane des Amerikaners haben da mehr Tiefe.
Dann tritt ein Stalker ins Leben der jungen Frau, und der Roman nimmt Fahrt auf. Plötzlich sind alle involviert: Colins Freunde Lily und Evan und Marias Schwester Serana.
Man merkt beim Lesen, dass Sparks Kinobilder der wahrscheinlichen Verfilmung im Kopf hatte. Der Showdown des Romans ist spannend, hat Thriller-Format, und der Amerikaner fügt die geheimnisvollen Fäden, die er über lange Zeit entwickelt hat, am Schluss auch klug zusammen.
Richtig hohe Qualität hätte der Roman bekommen, wenn Sparks den Mut gehabt hätte, die Liebesgeschichte am Anfang auf 100 Seiten zu straffen und sich ganz auf den Thriller zu konzentrieren.
Aber Sparks-Fans werden das Buch trotzdem lesen und lieben, denn mit seiner gefühlvollen Sprache knüpft er zumindest zum Ende hin den Erzählsog seiner vorherigen Bestseller an.
Nicholas Sparks: Wenn du mich siehst.
Heyne, März 2016.
576 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Julia Gaß.