Unterschiedlicher können zwei Menschen kaum sein – der eine, Sohn eines Schmiedes und als Soldat auf den Schlachtfeldern seiner Welt unterwegs gewesen, ein hochgewachsener Recke, der nicht weniger als drei Schwerter bei sich trägt und diese wohl zu nutzen weiß. Der andere, ein eher klein gewachsener Mann, der seine Kindheit in Waisenhäusern und auf der Strasse verbracht hat, der schmerzhaft lernen musste, dass niemandem zu trauen ist, und der mitleidlos seine Beutezüge als Dieb und Meuchelmörder durchzieht. Die beiden sind sich, kaum sehen sie sich zum ersten Mal, spinnefeind. Und doch will ein Professor an der Universität die beiden zu einem Team zusammenschweißen – unmöglich sagen sie? Schwierig, aber machbar meint der Zauberer.
Eine Queste muss her, eine fast unmöglich zu bestehende Aufgabe – nur so etwas kann aus Feinden Verbündete und vielleicht einmal Freunde machen. Ein legendäres Buch aus einer wohl bewachten Bibliothek ist das Ziel, ein, nein der höchste Turm der Welt, alle Streiter des übermächtigen Klerus und das Wetter sind ihre Gegner, als unsere beiden Diebe ihr Abenteuer beginnen ….
Michael J. Sullivan kehrt nach Riyria zurück. Seine drei, für die Übersetzung bei Klett-Cotta in sechs Bände gesplittete gleichnamige Saga erfreut sich weltweit großen Zuspruchs und auch die Deutsche Ausgabe der Hobbit Presse war merkantil ein Erfolg. Logisch, dass man als Autor, sicherlich auch gedrängt durch den heimatlichen US-Verlag, verführt ist, seiner abgeschlossenen Handlung eine Fortsetzung angedeihen zu lassen.
Zumeist erweist sich dieser Entschluss aber als Fehler, kann der Autor doch die hohen Erwartungen seiner Fans und Leser kaum erfüllen. Entweder legt er einen oftmals müden Abklatsch des ersten Teils vor, oder er beginnt etwas wirklich Neues, und verprellt seine Stammleser, die im Grunde genommen dieselbe Geschichte noch einmal lesen möchten – aber zu ähnlich soll es auch nicht sein. Eine Krux. Sullivan geht anders vor. Statt eine Fortsetzung offeriert er uns die Geschichte, wie Hadrian Blackwater, Royce Melborn und die Seherin Rose zusammenfanden. Wieder erwarten drei Romane, die sogenannten Riyria-Chroniken, den Leser und wie es aussieht, dieses mal für die Übertragung nicht gesplittet – das englischsprachige Original hat 432 Seiten.
Und der Autor beweist einmal mehr, dass er spannendes, packendes Abenteuer-Garn der traditionell archaischen Fantasy-Art zu spinnen weiß. Schon mit dem ersten Satz, einem mustergültigen Roman-Öffner, hat er uns an seinem Haken; – „Hadrian Blackwater hatte sich erst fünf Schritte vom Schiff entfernt, da wurde er ausgeraubt.“ Warum wurde er ausgeraubt, woher kam er, wo will er hin – im Geist des Leser ploppen Fragen en Masse auf, die sein Interesse, seine Spannung wecken. Und so geht es weiter; Neuleser werden sich in der Handlung wunderbar zurecht finden, Fans, die den ersten Zyklus goutiert haben immer wieder auf bekannte Figuren treffen.
Sullivan beherrscht das Spiel mit Tempo, Hintergrund und Spannung perfekt. Er punktet mit seinen zwei charakterlich unterschiedlichen, mit dem geschmiedeten Stahl versierten, auch ein wenig anrüchigen aber herzensgute Dieben. Dazu gesellen sich Rätsel, Verfolgungsjagten, Kämpfe und auch eine Nebenhandlung um die Prostituierte, die den Männern und ihren Gegnern zeigt, wie man ein Geschäft aufzieht und dabei menschlich integer bleibt.
Klassische Mantel- und Degen Fantasy mit hohem Lesetempo und Abenteuerfaktor.
Michael J. Sullivan: Die Riyria-Chroniken 01: Im Schatten des Kronturms.
Klett-Cotta, Februar 2020.
462 Seiten, Taschenbuch, 17,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.