Organspende und -transplantation sind die Themen in Maylis de Kerangals Roman „Die Lebenden reparieren“. Das französische Original hat bereits mehrere Preise erhalten.
Als der 19-jährige Simon nach einem Unfall für hirntot erklärt wird, stellt sich bei aller Trauer schnell die Frage, ob seine Eltern ihn als Organspender freigeben wollen.
Die 1967 geborene französische Autoren begleitet in diesem sehr intensiven Roman die Menschen, die mit dieser Situation zu tun haben, über 24 Stunden hinweg. Sie schlüpft abwechselnd in die Köpfe des Opfers, der Eltern, der Ärzte, der Pfleger und zuletzt auch derjenigen, die die Organe des Toten empfangen sollen und damit Hoffnung auf ein neues Leben verbinden.
Der Roman ist nicht nur spannend und in einer wunderschön poetischen Sprache verfasst, er ist bei aller Düsternis des Themas auch abwechslungsreich und voller Leben. So erwartet die Krankenschwester des Toten nichts sehnlicher als einen Anruf ihres neuen Liebhabers, mit dem sie die vorherige Nacht durchgemacht hat. Während die zum Teil etwas selbstverliebten Ärzte die Organe Simons entnehmen, unterhalten sie sich über Fußball. Diese kleinen Beispiele zeigen, dass auch solche Extrem-Situationen, wie die im Buch beschriebene es nicht vermögen, das ganz normale Alltagsgeschehen anzuhalten. Die Welt dreht sich weiter. Die Autorin hat diesen Aspekt gut eingefangen.
Andere Beteiligte wie die Eltern denken natürlich weniger an Fußball. Aber auch hier gelingt es Maylis de Kerangal hervorragend, ihre Trauer und Verzweifelung darzustellen.
Im Philosophie-Unterricht an Schulen ließe sich „Die Lebenden reparieren“ gut als Diskussionsgrundlage vorstellen, wenn es um das Für und Wider von Organspenden geht.
Maylis de Kerangal: Die Lebenden reparieren.
Suhrkamp, Mai 2015.
255 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.