Lisa Eckhart: Boum

Ein bitterböse Satire – echt Lisa Eckhart eben! Viel Sex, wahnwitzige Einfälle und jede Menge Schläge unter die Gürtellinie. Vom Bodyshaming zur Islamophobie, von Obdachlosen, Freaks, Femen-Aktivistinnenbis z u Männern mittleren Alters mit Hang zu schnellen, großen Autos – sie alle bekommen im zweiten Roman der Kabarettistin gehörig ihr Fett weg. Wer Wordplays mag und tiefschwarzen Humor nicht scheut, wird sich bestens unterhalten fühlen. Allerdings serviert uns Lisa Eckhardt weniger eine stringente Story mit Spannungsaufbau, als eine Aneinanderreihung absonderlicher Szenen. Ein „Boum“ – aka Knaller – folgt hier auf den nächsten. Wobei Boum auch für die titelgebende Figur steht, einen Terrorexperten, der außer Eskalation und gebrochenen Frauenherzen nicht viel auf die Reihe bekommt. Für ihren Plot entführt uns die in Österreich geborene Autorin nach Paris, wo sie selbst einmal studiert hat.

Sex & Crime in Paris

Protagonistin Aloisia hat gerade ihre Matura gemacht und zieht der Liebe wegen nach Paris. Doch Aloisia hat nicht nur Probleme mit der französischen Sprache, sondern mit dem Sprechen generell. Sie ist extrem schüchtern, weiß weder etwas zu erzählen, noch etwas mit ihrem Leben anzufangen. So lässt sie sich durch Paris treiben und treibt es pausenlos mit ihrem Lover Romain, um der peinlichen Sprachlosigkeit entgegenzuwirken. Denn: „Ununterbrochen miteinander zu schlafen, ist die wohl wirksamste Methode, um sich aus dem Weg zu gehen.“ (S. 43)

Dabei ist in Paris gerade die Hölle los. Die französische Hauptstadt schaudert wohlig unter einer Reihe von Serienmorden, bei denen Straßenmusikanten am helllichten Tag vor aller Augen auf obskure Weise von dem so genannten Maestro gekillt und medienwirksam „ausgestellt“ werden. Noch mehr Heerscharen von Touristen strömen deswegen in die gar nicht so romantische Stadt der Liebe, sehr zum Leidwesen der Obdachlosen, die nun überhaupt kein Kleingeld mehr abbekommen. Mittendrin ermitteln ein Pariser Kommissar und Boum, den islamophoben Terrorexperten.

Rabenschwarze skurrile Szenen

Aloisia trifft eines Tages auf Clopin, Anführer einer Schar von Obdachlosen und Freaks, die sich als gefakte Invalide Almosen von Touristen erbetteln. Sie landet in einer merkwürdigen Parallelwelt unter Tage. Außerdem gerät sie an eine Agentur, die Mädchen danach einteilt, was sie am besten können: laufen (Models), liegen (Huren) oder stehen (Hostessen). Dort lernt sie den attraktiven Gonthier kennen, in den sie sich verliebt. Weshalb sich Aloisia von ihrem Job als Hostess nun hocharbeiten möchte, auch wenn dies bedeutet, bisweilen vor Kunden auf die Knie zu gehen. So kreuzen sich die Wege aller Beteiligten in diesem Roman, der genauso verschachtelt ist, wie das Pariser Untergrundsystem. Fazit: Lisa Eckhart polarisiert als Kabarettistin. Doch ihre Pointen sitzen. Ähnlich wird es sich mit diesem Roman verhalten. Wer eine stringente Geschichte mit Spannungsbogen erwartet, dürfte enttäuscht sein. Zumal ziemlich schnell feststeht, wer sich hinter den Serienmorden verbirgt. Stattdessen liefert Eckart viele treffsichere und ebenso viele überdrehte Szenen mit satirischen Seitenhieben auf die Gesellschaft. Die Sätze und Wordplays von Eckhart, die 2015 als zweite Frau die österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaften gewann, sind jedenfalls (messer-)scharf. Boum trifft Bonmots, lautet die Devise. Danach werden sie Paris mit anderen Augen sehen.

Lisa Eckhart: Boum.
dtv, November 2024.
368 Seiten, Taschenbuch, 13,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.

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