Im dritten und letzten Teil dieser historisch bestens recherchierten Familiensaga um den fiktiven Manthey Zeitungsverlag führt uns 1945 zurück nach Berlin. Die Stadt liegt wie ganz Deutschland in Trümmern. Auch der Verlag ist quasi nicht mehr existent. Fritjof und seine Schwester Vicki kommen aus den USA zurück, um ihn wieder aufzubauen. Papier ist kaum zu bekommen, geeignete Reporter zu finden, die während des Krieges nicht mit den Nazis sympathisiert haben, ist mindestens ebenso schwer. Doch Fritjof gibt nicht auf. Immerhin gibt es „den alten Birnbaum“ noch, der als Setzer schon vor dem Krieg für ihren Vater in der Druckerei gearbeitet hat und in der Lage ist, die noch vorhandenen Reste der Druckmaschinen wieder in Gang zu setzen. Für Birnbaum ist der Verlag alles.
Alexander, der dritte der Geschwister, hat ihn und seine jüdische Familie während des Krieges vor den Nazis im Keller der Manthey-Villa versteckt. Das hat Birnbaum ihm nicht vergessen, er ist ihm auf ewig dankbar und verbunden. So verwundert es nicht, dass er über die Zeit, in der alle davon ausgegangen waren, Alexander habe die Bombenangriffe auf Berlin nicht überlebt, wusste, wo er sich versteckt hielt und ihn mit Informationen zu Verlag und Familie versorgt hat. Das war nicht schwer, leben die Birnbaums doch nach wie vor in der Villa. Zusammen mit Fritjof, seiner Frau Elke, die ebenfalls aus den USA zurückgekommen ist, Vicki und ihrer kleinen Familie sowie Clara /Claire, Alexanders erster Frau und ihrem gemeinsamen Sohn Oskar, den Alexander damals loswerden und in ein Internat abschieben wollte, weil er nicht sein leibliches Kind ist.
Während Fritjof sich um die finanziellen und existentiellen Belange des Verlags und des Druckhauses kümmert, berichtet Vicki wie früher als Gerichtsreporterin. Diesmal von den Nürnberger Prozessen. Vor den politischen Gegebenheiten und Entwicklungen können sich die Mantheys nicht verschließen. Sie stehen beruflich wie privat vor großen Herausforderungen, insbesondere als Alexander eines Abends unvermittelt auftaucht und Anspruch auf die Verlagsleitung erhebt. Alles, was ganz gut zu werden schien, steht auf der Kippe. Gewohnt selbstherrlich und intrigant schafft Alexander es, sich bei den Amerikanern in Berlin einzuschmeicheln und seine Ansprüche mit ihrer Unterstützung durchzusetzen. Doch Fritjof und Vicki kämpfen für den Verlag und die Familie, die sich geschlossen gegen Alexander stellt.
Auch dieser letzte Teil der Trilogie ist wieder fesselnd geschrieben, bestens recherchiert und sehr realitätsnah dargestellt, auch wenn die Personen in der Geschichte frei erfunden sind – genauso hätte es wohl sein können. Trümmer, Entbehrungen, Wiederaufbau, menschliche Schicksale, Zusammenhalt, Freundschaft und Familie, aber auch Hass und Rache. Auch diesmal wieder ein sehr gelungener Einblick in die jüngere Geschichte, aus einer eher ungewöhnlichen Perspektive. Auch wenn man die beiden ersten Teile nicht gelesen hat, ist „Neue Freiheit“ gut verständlich. Die „ganze Geschichte“ erschließt sich allerdings besser, wenn man alle Teile kennt.
Katrin Tempel: Die Zeitungsdynastie: Neue Freiheit
Piper, Januar 2025
384 Seiten, Paperback, 12,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.