Isa erlebt den Alptraum jeder Mutter. Ihr Sohn Ben ist plötzlich verschwunden. Aus ihrem Haus, während sie nur kurz im Keller war. Weggelaufen kann er nicht sein, denn er ist erst vier Monate alt. Isa setzt alles in Gang, was man so in Gang setzt, die Polizei sucht den Jungen und versucht zu ermitteln. Trotzdem gibt es keine Spur von ihm. Ein halbes Jahr lang. Dann taucht er plötzlich wieder auf. Nur kann ein zehn Monate altes Kind leider nicht sagen, wo es in der Zwischenzeit war. Isa ist erleichtert, aber je mehr Zeit sie mit Ben verbringt und alles versucht, um die verlorene Zeit nachzuholen, desto mehr Zweifel kommen ihr. War da nicht ein Muttermal? Waren die Augen schon immer so blau? Aber sie will nicht glauben, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Isas Weg durch diesen Alptraum ist schon beeindruckend und auch beeindruckend beschrieben. Zwar hat mich die dauernde Betonung, was allein ihre Mutterliebe ihr sagt, eher gestört, aber sie schaltet zumindest ab und an mal das Hirn ein. Dabei bekommt sie allen Grund, an sich selbst und ihren Beobachtungen zu zweifeln. Obwohl die Autorin selbst Psychologin ist, scheut sie sich nicht, auch ihre eigene Zunft als mögliche Täter anzusehen. Isas Mann Mark ist Kinderarzt, bevor ihr Sohn verschwand, hatte sie ein Bilderbuchleben mit Mann und Haus und allem, was dazugehört. Es wäre schön gewesen, wenn Sarah Bestgen das jetzt Stück für Stück demontiert hätte. Hat sie aber leider nicht. Isa – und damit der Leser – bemerkt zwar immer mal wieder winzige Stücke, die nicht ins Bild passen, aber sie kann das Puzzle nicht zusammensetzen. Das entspricht zwar der Realität, weil der Thriller strikt aus Isas Sicht erzählt ist, für den Leser ist das eher unbefriedigend. So muss denn auch am Ende die gesamte Tätergeschichte auf wenigen Seiten zusammengefasst werden, sonst hätte das ja überhaupt keiner verstanden. Überzeugend fand ich das nicht, die gesamte Tätermotivation wurde so nur erzählt, nie gezeigt und das dann auch nicht innerhalb des Buches, sondern nur am Ende.
Es gibt also richtig gute und richtig schlechte Anteile in diesem Buch. Richtig gut – wenn auch viel zu lang und viel zu häufig – fand ich Isas Weg in die Psychiatrie, wie sie unter den Aussagen ihrer Umgebung und ihren eigenen Zweifeln gelitten hat, bis sie dann einfach nicht mehr konnte. Und sich dann doch noch mal aufraffte. Richtig schlecht fand ich dagegen Tätermotivation und die Beschreibung dazu. Und die Polizeiarbeit mit persönlicher Beteiligung und abwinkenden Kollegen war auch nicht der Hammer. Es hätte dem Buch vermutlich gutgetan, zwischendurch mal die Perspektive auf den Täter zu wechseln, so war er zwar vorhersehbar, aber trotzdem unverständlich.
Herausgekommen ist ein Thriller über ein Thema, das immer wieder in Thrillern vorkommt, der mich als Leser irgendwie unzufrieden zurückließ.
Sarah Bestgen: Happy End – Dein größtes Glück, Dein dunkelster Alptraum
Lübbe, Oktober 2024
512 Seiten, Paperback, 17 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.