Margaret ist zwanzig, als sie ihren Heimatort Morcambe in England verlässt, um in Amerika ihr Glück zu suchen. Geld hat sie nicht, aber Träume. Und eine Menge Chuzpe und Frechheit, gepaart mit gutem Aussehen und Witz. Das macht es ihr einigermaßen leicht, ihre Pläne zielstrebig zu verfolgen. Die Einreise in die USA erschleicht sie sich mit einem gestohlenen fremden Ausweis, die Aufenthaltsgenehmigung mit einer Ehe, die sich schon wenige Stunden nach der Trauung als der absolute Reinfall erweist. Ihr Ehemann, ein äußerst attraktiver Nachwuchsschauspieler, ist ein Mensch, der nur an sich selber denkt und keinerlei echtes Interesse an Zweisamkeit hat. Mit ihm macht sie üble Erfahrungen in der Gesellschaft. Hollywood 1950 ist keineswegs das Paradies, in dem einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen. Das muss Loretta, wie sich Margaret inzwischen nennt, bitter erfahren.
Sie ist in einem Haifischbecken gelandet, wo jeder nur an sich denkt und gerade die Männer, die sie trifft, sich gerne einfach nehmen, was sie möchten. Das weckt in Loretta zwar schmerzliche Erinnerungen an zu Hause, an ihre Schwester und Mutter, – dem wollte sie mit ihrer Flucht von zu Hause entkommen – aber davon lässt sie sich nicht beirren. Im Gegenteil, das ist eher Ansporn. Sie gibt nicht auf. Ihren Traum, eine berühmte Maskenbildnerin zu werden, verfolgt sie eisern und dank ihrer schon erwähnten Chuzpe auch recht erfolgreich. Nicht alle wollen ihr Schlechtes, auch das darf Loretta erfahren. So wird zum Beispiel Primrose, die Prostituierte, die sie gleich am ersten Tag in Los Angeles kennengelernt hat, zu ihrer besten Freundin und durchaus auch schon mal Beschützerin. Ebenso Scott Eliot, Schriftsteller und Autor, der ihr immer wieder zur Seite steht, wenn es mal hakt oder sie sich wieder in Schwierigkeiten manövriert hat – kann sie übrigens recht gut. Für Scott entwickelt Loretta sogar nach und nach Gefühle, die sie nicht zulassen möchte, um nicht wieder enttäuscht zu werden. Ihre Beziehung ist nicht einfach, aber beständig.
Loretta schafft es tatsächlich, sich ins Team des derzeit angesagtesten Maskenbildners und Visagisten Hollywoods zu schmuggeln und auch wirklich bei und mit ihm arbeiten zu können. Was sie kann, hat sie sich selbst beigebracht. Sie hat allerdings ein sicheres Gespür für Farben und Typen, Geschmack und Talent. Sie bringt es weit, gerät aber auch immer wieder in brenzlige Situationen, aus denen sie oftmals alleine nicht mehr rausgekommen wäre. Doch immer wieder gibt es Menschen, die ihr helfen, die gar nicht wissen wollen, was wieder passiert ist, wenn Loretta panisch wird.
Ein Roman über eine starke, selbstbewusste, ehrgeizige junge Frau, die auch mal über Leichen geht, um ihr Ziel zu erreichen. Die sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt und eiskalt abrechnet, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlt. Ein bisschen „amerikanischer Traum“, eine Menge Klischees, ein bisschen zeitgenössische, wohl sehr realitätsnahe Studie des Haifischbeckens Hollywood 1950, vor allem wenn es um das Frauenbild geht, das die Männer hatten. Frech, frisch und einigermaßen frivol. Ich muss gestehen, dass ich zu Anfang mehrfach versucht war, den Roman wieder aus der Hand zu legen, so gleich gepackt hat er mich nicht. Doch nach und nach hat Loretta mich dann doch neugierig gemacht, und ich bin dran geblieben. Witzig, unterhaltsam und flott geschrieben. Dennoch hintergründig und eben auch nachdenklich.
Katherine Blake: Not your Darling
Aus dem Englischen von Astrid Finke
Droemer, Dezember 2024
400 Seiten, Paperback, 16,99 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.