Judith Mohr: I wie immer ich

Im zweiten Jugendroman von Judith Mohr ignoriert der vierzehnjährige Lennox, dass alles Konsequenzen hat. Als er von alten „Freunden“ angestachelt wird, auf ein Spielgerät in einem Kindergarten einen obszönen Spruch zu sprühen, will er nur seine Wut herauslassen. Er ist wütend über eine schlechte Note und dass seine beiden besten Freunde nicht für ihn da sind. Viel zu schnell ist der „Spaß“ vorbei. Lennox wird bestraft: Polizei, Jugendrichter, die Verpflichtung soziale Stunden abzuleisten und dies alles in den Herbstferien. Und sein Vater verhängt noch weitere Strafen, unter anderem darf er nicht mit der Familie nach Sardinien reisen, sondern soll bei seiner Tante wohnen. Lennox wird so stark mit Regeln und Misstrauen überhäuft, dass er sich gar nicht mehr vorstellen kann, dass es zuhause jemals wieder gut wird.

Die Autorin Judith Mohr hat nach ihrem Studium der Germanistik in dem Bereich fantastische Jugendbücher promoviert. Heute ist sie an einem Gymnasium Lehrerin. Wie bereits in ihrem ersten Jugendroman schreibt sie über die Angst und Isolation von jungen Menschen. In ihrem aktuellen Buch hängt Lennox‘ Verurteilung wie ein dunkler Schatten über der Familie. Das Familienleben ist ein anderes geworden. Lennox ist der unerbittlichen Strenge des Vaters schutzlos ausgeliefert. Wer schuldig gesprochen wird, hat Strafe verdient. Nur wie viel Strafe muss sein? Wann ist es genug? Sein Vater scheint nie zufrieden zu sein. Statt für gute Leistungen gelobt zu werden, hört Lennox nur: Gut ist nicht gut genug. Auch der tägliche Streit zwischen den Eltern belastet das Familienleben. Sowohl Lennox als auch seine Schwester Luana machen sich deshalb am liebsten unsichtbar.

Dass eine Strafe auch etwas Gutes haben kann, lernt Lennox bei seinen sozialen Stunden. Unter anderem soll er jeden Tag während der Herbstferien die querschnittsgelähmte Grit begleiten. Sie werden allmählich Freunde und helfen sich gegenseitig.

Judith Mohr zeigt auch in diesem Jugendroman, wie sympathische Jugendliche über sich hinauswachsen, wenn sie sich gegenseitig helfen. Dabei geht die Autorin tiefgründig vor, indem sie die Motive für Lennox, Grit und seinen Vater beschreibt. Die Motive von Lennox‘ alten „Freunden“ bleiben dagegen im Trüben. Möglicherweise würde bei deren Offenlegung Lennox‘ Leitmotiv verloren gehen.

Insgesamt schreibt Judith Mohr anschaulich und nachvollziehbar, wie wenig alltäglich Alltagsprobleme sein können, wenn jeder für sich gegen seine eigenen Geister ankämpfen muss. Viel zu schnell ist die Lektüre vorbei, und man verspürt Lust, mehr von der Autorin lesen zu wollen.

Judith Mohr: I wie immer ich
Verlag Freies Geistesleben, März 2025
255 Seiten, Taschenbuch, 18,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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