Vor nicht allzu langer Zeit, war der Stadtstaat Sygna noch Bestandteil des Aquintienschen Reiches. Dann rebellierten die Zünfte, die Menschen und Gezeichneten und warfen die Besatzer buchstäblich aus den Mauern der Stadt. Dass dabei so einige Geheimnisse, die bislang in den tiefsten Katakomben der Stadt wohl verborgen waren ans Tageslicht gezerrt wurden, erweist sich als Krux. Die Särge, die geöffnet, die mächtigen Ur-Zeichen, die freigesetzt wurden suchten sich neue Wirte – und dies nicht nur unter den Einwohnern Sygnas, sondern auch bei der vor den Toren der Stadt lagernden Aggressoren. Während der Kaiser höchstelbst mit seiner übermächtigen Armee auf die Stadt zu marschiert, suchen die Rebellen verzweifelt nach Verbündeten. In einer ersten großen Schlacht gelingt es der Schmiedin Elisabetha Eisenhammer zusammen mit Dawyd dem Kaiser eine Niederlage beizubringen. Als Dank wird sie vom General Sygnas ihres Amtes enthoben und unter Arrest gestellt.
Schnell wird deutlich, dass, nachdem die Besatzer erfolgreich aus der Stadt geworfen wurden, die Zünfte ihre Pfründe zu sichern suchen. Die Begüterten und Mächtigen haben nur eines im Kopf – sich selbst.
Zeichen für die niederen Bürger, Wohlstand für alle gar ist für sie undenkbar. So gesellen sich zum äußeren Konflikt auch diverse innere Kämpfe – um Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann, zwischen Arm und Reich, zwischen Zeichenkundigem und einfachen Bürgern.
Währenddessen ist Ismayl, einer der – unfreiwilligen – Helden der Revolution als Spion unterwegs. In der Kaiserstadt Naronne sucht er nach Hinweisen auf und über die Ur-Zeichen – und muss erkennen, dass die Bürger des Kaiserreiches sich von den Einwohnern seiner Heimatstadt nicht sonderlich unterscheiden. Und dort trifft er auch auf den Geheimpolizisten Rufin, der im nach dem Seelentausch im Körper des Rebellen Dreifinger nach wie vor seine Ränke treibt .
Das Autorenehepaar Vogt ruft erneut in eine etwas andere, frische und ungewöhnliche Fantasy-Welt. Statt die ewig austauschbaren archaischen Landstriche und Schwertkämpfe finden wir uns erneut in einer an die Renaissance erinnernden Epoche wieder. Als besonderes Element haben die Verfasser die Magie ihrer Zeichen inkludiert und berichten uns weiter vom Freiheitskampf Sygnas, der Rebellion innerhalb der Stadt gegen die festzementiert scheinenden Stände und den Versuch ein wenig Gleichberechtigung durchzusetzen.
Zu Beginn wäre es schön gewesen, wenn uns Autoren und Verlag mit einer kurzen Zusammenfassung die bisherigen Geschehnisse noch einmal ins Gedächtnis gerufen hätten – so muss man sich erst einmal wieder in die Vogt´sche Schöpfung einlesen, bevor man dem Plot in seine vielen, unerwarteten Wendungen folgen kann.
Die beiden Verfasser haben sich so Einiges für den Mittelband ihrer Trilogie einfallen lassen. Dabei sind es nicht nur die Abenteuer, die Auseinandersetzungen und Verfolgungen, die den Rezipienten an die Seiten fesseln, sondern auch und insbesondere die dem Text mitgegebenen Entwicklungen, die mir positiv aufgefallen sind.
Womens Lib ist etwas, das in Fantasy-Romanen eher selten thematisiert wird, das Gefühl des „Yes, we can“ das die Stadt nach dem – ersten – Sieg gegen die Besetzer durchzieht macht uns die Geschichte noch besser und eindringlicher begreifbar.
Trotz der Fülle von handlungsrelevanten Figuren gelingt es den Autoren uns diese jeweils eigen und ganz differenziert nahe zu bringen und mit Hintergrund und Entwicklung zu versehen.
So ist auch dieser Band ein gelungener Roman voller ungewöhnlicher Ideen, überraschenden Wendungen und so noch nie gelesener Magie.
Judith & Christian Vogt: Die dreizehn Gezeichneten – Die Verkehrte Stadt.
Bastei Lübbe, März 2019.
448 Seiten, Taschenbuch, 14,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.