Jonas T. Bengtsson: Auf Bewährung

Die drei Freunde Danny, Malik und Christian haben ihre Kindheit und Jugend im gefährlichsten Viertel Kopenhagens überlebt. Inzwischen wohnt Danny im Gefängnistrakt für Schwerverbrecher, Malik studiert Zahnmedizin, und Christian ist Polizist in der Abteilung Drogen.

Ohne genau zu wissen warum, wird Danny vorzeitig entlassen und versucht die neue Freiheit auf Bewährung zu genießen, die für ihn wider Erwarten mehr Stress und Verunsicherung bedeutet. Danny kennt sich in seinem Kopenhagen nicht mehr aus. Alles ist anders. Auch die organisierten Verbrecherclans haben sich während seiner Inhaftierung verändert. Aus den ruppigen, gewaltbereiten Gruppierungen sind Franchise-Unternehmen geworden. Hinter einem undurchsichtigen Geflecht aus Verbindungen und Feindschaften findet heute das große Geschäft mit Verbrechen in allen Nuancen statt. Was Danny am meisten irritiert, ist Maliks Verschwinden. Der Klügste und Ehrlichste aus ihrem Dreiergespann scheint Schwierigkeiten zu haben. Und Danny, der Schlimmste und Brutalste von ihnen, will Malik wie früher helfen. Koste es, was es wolle. Die Mauer des Schweigens und seine Bewährungsauflagen stehen ihm dabei im Weg.

Der Däne Jonas T. Bengtsson ist mit seinen bisherigen vier Büchern aufgefallen und gewann unter anderem den Olov-Enquist-Preis. Dies dürfte unter anderem an seiner gradlinigen Erzählweise liegen. Reduziert und pointiert präsentiert er seine Geschichten, in denen es kein Wort zu viel und keines zu wenig gibt. Sein fünfter Roman fokussiert die Elemente des film noir, die in den 1940er, 1950er Jahren eine zynische, pessimistische Weltsicht zeigten. Im Zentrum standen „echte Männer“, die beim Anblick der schönen femme fatale schwächeln und unter vielen Opfern ihren vorgezeichneten Weg gehen.

Ein Held, den man so schnell nicht vergisst

So ähnlich ist es auch bei Danny, Malik und Christian, die zusammen oder alleine im Dickicht des Verbrechens überleben wollen. Der Autor schuf aus dem Härtesten von ihnen einen Helden, den man so schnell nicht vergisst. Würde man dem 29-jährigen Danny auf der Straße begegnen, verspürte man vermutlich Angst. Seine Welt wird vom Gott der Gewalt gelenkt. Es fällt ihm schwer, Menschen zu begreifen, die noch nie wegen Körperverletzung verurteilt wurden. (S. 113). Sich selbst charakterisiert er auf seine ganz spezielle Weise: „Er ist ein Krimineller, seit er krabbeln kann, er hat bereits mit Spielzeugbausteinen gedealt und im Sandkasten Schutzgeld verlangt.“ (S. 20)

Seine Muskelpakete trainiert er allein aus praktischen Erwägungen. Er ging vor Jahren für Malik freiwillig in den Knast. Dabei leuchtet Danny, der spannende Schutzengel, so intensiv, dass man bei der packenden Lektüre automatisch auf seiner Seite steht und seine Motive und seinen Ehrenkodex begreift.

Die tolle Lektüre aus dem Bereich Hard Core hat Maximilian Stadler aus dem Dänischen übersetzt.

Jonas T. Bengtsson: Auf Bewährung.
Aus dem Dänischen übersetzt von Maximilian Stadler.
HEYNE HARD CORE, Oktober 2022.
352 Seiten, Hardcover, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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