John Burnside: Über Liebe und Magie – I Put a Spell on You

Es ist ein sehr persönliches Bekenntnis, was John Burnside über Liebe und Magie schreibt, und wenn ein Autor in einer solch schonungslos offenen und ehrlichen Weise seine Seele öffnet, ist das, was für ihn selbst eine Form von Aufarbeitung und letztlich Therapie darstellt, für LeserInnen ein absoluter Glücksfall.

Burnside beleuchtet die Liebe in allen Facetten von beglückend bis zerstörend und stellt sich dem zuvor Unergründlichen. Der Text zeigt wunderbar plastisch seine Kindheit mit den ärmlichen Familienverhältnissen in einer schottischen Bergarbeiterstadt auf. – Alles in allem keine optimalen Voraussetzungen für einen positiven Lebensablauf. Auf seinen alkoholsüchtigen, gewalttätigen Vater, einen Gelegenheitsarbeiter, entwickelt er einen Hass. Doch die Mutter beweist Stärke. Sie meistert den nahezu unerträglichen Alltag und kann Vieles ausgleichen. Sie bringt dem Sohn mit ausgeliehenen Zeitschriften das Lesen bei und weitere Fähigkeiten, wie später das Backen. Bei seiner Cousine, in die er sich zum ersten Mal unglücklich verliebt, hört er den Song I put a spell on you, was den Nerv seiner Empfindungen trifft und ihn darin gefangen hält. Überhaupt ist Musik ein Signalgeber für seine Empathie. Erinnerungen an viele Songs und Fenster in die damit verbundene Vergangenheit tun sich auf, so zum Beispiel auch das Bild von der Mutter in der Küche, die beim Lauschen von Musik ebenso wie er in eine andere Welt einzutauchen schien.

Der heranwachsende Junge kann nicht alles, was auf ihn einströmt, verarbeiten. – Drogen, Partys, Sex verwirren ihn, setzen falsche Impulse. Rebellion, Abstürze und Aufenthalte in der Psychiatrie folgen. Er hadert mit sich und dem Schicksal, das er durch seine hohe Sensibilität viel zu intensiv wahrnimmt. All das lässt ihn kein Selbstvertrauen aufbauen und macht ihn noch einsamer als er bereits ist. Natürlich gibt es Affären und Flirts in seinem Leben, aber ein einschneidendes Erlebnis in Verbindung mit dem ihm vertrauten Song I put a spell on you verdüstert das, was er mit Liebe verbindet.

Mehr als dreißig Jahre später versucht Burnside die Tragik seines Lebens aufzuarbeiten und zu ergründen, warum es ihm einst nicht möglich war, seine große Liebe zu Christina zu leben.

Sein Nachsinnen lässt auch weitere Betrachtungen auf den gewalttätigen Vater zu. Alles erlangt nun im Nachhinein einen größeren Raum, in dem er Gefühle positionieren und manifestieren kann. Das Erkennen von vertanen Chancen führt zum Finden des eigenen Ich und dem Wissen, dass das verpasste Glück endgültig verloren bleibt.

Burnsides Offenlegungen von Wegen und Irrwegen verdeutlichen die Wichtigkeit andere Perspektiven zuzulassen und neue Richtungen einzuschlagen. Das Wahrhaftige in diesem Text berührt und bedrückt – vor allem aber wirkt es bereichernd, weil damit so viele eigene Gedanken und Reflexionen angestoßen werden. Das macht dieses Buch, das Bernhard Robben ins Deutsche übersetzt hat, zu einem herausragenden literarischen Erlebnis.

John Burnside: Über Liebe und Magie – I Put a Spell on You.
Penguin Verlag, Oktober 2019.
288 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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