Ich bin kein Mörder, obwohl ich bereits einmal einen Magier mit meinen Kräften getötet habe. Ich bin Harry Blackstone Copperfield Dresden. Ich bin ein Magier. Sie finden mich in den Gelben Seiten unter M wie Magier, und ich habe ein Problem, ein großes! Nicht nur, dass meine Miete mal wieder zwei Monate überfällig ist, sodass ich gezwungen bin, einen simplen Detektiv-Job, die Suche nach einem verschwundenen Ehemann zu übernehmen. Nein, auch die Sonderkommission der Chicagoer Polizei sucht meinen Rat.
Ein Paar wurde beim Liebesspiel getötet. Eifersucht vermuten sie? Nun, möglich, doch die Tat riecht nach Magie, dunkler Magie, denn, ihre Herzen wurden von innen aus ihrem Brustkorb gerissen. Kombinieren Sie das damit, dass der Mann einer der engsten Vertrauten des örtlichen Paten war, die Frau eine stadtbekannte Luxusnutte in Diensten der örtlichen Vampirchefin und sie ahnen, was auf mich zukommt – genau Ärger, großgeschrieben!
Dass der Weiße Rat der Magier mir einen Bewährungshelfer auf die Fersen gesetzt hat, der nichts lieber täte, als mich zu richten, hilft auch nicht eben, und als die Kacke dann richtig anfängt zu dampfen, und alle Beteiligten mich am liebsten einen Meter unter der Grasnarbe sehen würden, geht es erst richtig …
Das Sub-Genre des phantastischen Kriminalromans wurde einst von Laura Hamiltons »Anita Blake« dominiert. Dass es aber auch andere Autoren gibt, die durchaus unterhaltend und spannend ihre Leser zu faszinieren wissen, zeigte vorliegender Auftakt einer phantastischen Krimireihe, die erstmals 2006 im Knaur Verlag das Licht der Buchhandlungen erblickte. 2012 wurde der Roman dann bei Feder & Schwert noch einmal veröffentlicht. Nun also, aller guten Dinge sind bekanntlich Drei, der nächste Versuch.
In einer ungewöhnlich schnoddrigen, aber passenden Sprache berichtet uns einer der typischen Vertreter seiner Zunft – ein Privat Eye aus dem Lehrbuch – von seinem tristen und doch gleichzeitig aufregenden Leben. Mike Hammer, Jack Spade und wie sie alle heißen, standen Pate bei der Kreation von Harry Dresden.
Wir kennen diese allzeit am Rande der Legalität agierenden Detektive mit ihrer maskulinen Ausstrahlung nur zu gut. Doch damit kann ein Autor heute kaum mehr seine Leser hinter dem Ofen hervorlocken. So sorgt Butcher durch die Einbeziehung phantastischer Wesen, Magier und Dämonen für zusätzlichen Kitzel. Und die Mischung stimmt. Neben den Einblicken in die faszinierenden Welten des organisierten Verbrechens, des horizontalen Gewerbes ist insbesondere die Darstellung der magischen Welt als gelungen zu bezeichnen. Butcher gelingt es hier, mit leichter Hand die Welt hinter der Welt in seine Alltagsbeschreibung einfließen zu lassen, ja, sie zum Bestandteil seiner Welt zu machen. Das wirkt nie aufgesetzt, das kommt stimmig rüber, auch weil der Autor seinen Protagonisten nicht als Übermensch, pardon Magier darstellt, sondern als Wesen voller Gefühle.
Angst, Aggression, Verzweiflung und Lust sind ihm nicht fremd, doch meistens ist es der Frust, der ihn heimsucht. Frust, dass die Bösen im Gegensatz zu ihm ein solch luxuriöses Leben führen, Frust, dass er unberechtigt auf der schwarzen Liste des Weißen Rates der Magier steht; Frust, dass er keine Frau abbekommt. Und das alles nur, weil er zu den Guten gehört, da kann man schon verzweifeln.
Ich konnte mühelos in die Gestalt des Harry Dresden schlüpfen, eben weil er kein Übermensch ist, sondern ein Mensch voller Ecken, Kanten, liebevoller Fehler und nachvollziehbarer Gefühle.
Das soll nun nicht heißen, dass vorliegender Roman nicht seine Schwächen hätte. Die Logik bleibt so manches Mal auf der Strecke, arg zu oft muss der Zufall unserem Helden auf die Sprünge helfen, oder kommt die Rettung in letzter Sekunde. Doch das Buch liest sich nach wie vor flüssig auf einen Rutsch durch, unterhält durchaus ansprechend. Man darf sich als Fan der Serie freuen, beabsichtigt der Blanvalet Verlag doch nicht nur, die bereits erschienen Romane wieder neu aufzulegen, sondern auch die beiden bei uns noch nicht publizierten Titel nachzureichen.
Jim Butcher: Harry Dresden 01: Sturmnacht.
Aus dem Englischen übersetzt von Jürgen Langowski.
Blanvalet, November 2022.
416 Seiten, Taschenbuch, 12,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.