Drei Menschen, miteinander in Liebe verstrickt, blicken auf ihr Leben zurück
In ihrer Kurzgeschichtensammlung „Kleine Kratzer“ brachte Jane Campbell vieles genial auf den Punkt, blickte in menschliche Seelen, in Frauenseelen, die mit ihren bisherigen Leben hadern. Diese Kurzgeschichten haben mich sehr beeindruckt.
Hier nun legt die Autorin einen Roman vor, der sich ähnlich mit dem vergangenen Leben der Protagonisten beschäftigt. Mit Lebenslügen, mit Geheimnissen, Verschweigen, mit falschen Wahrheiten und falschen Gefühlen.
Es geht um Agnes, deren Tochter kurz vor ihrer Hochzeit steht. Eingeladen zur Feier ist auch Agnes‘ Onkel, der sie nach dem Tod ihrer Eltern aufzog, der mehr über sie und ihren wahren Vater wusste, als er ihr je verriet. Eingeladen ist auch Joseph, Agnes‘ Therapeut, der sie mehr liebt, als zwischen Arzt und Patientin erlaubt ist.
Aus diesen drei Perspektiven lernen wir vor allem das Leben von Agnes kennen, erfahren aber auch viel über diese beiden Männer, die fast im Wettbewerb stehen um die Liebe dieser Frau. Wenn nur alle die Wahrheit kennen würden.
Denn auch Agnes hat etwas zu verbergen, ihre Liebesaffäre mit einem Mann, von der niemand etwas wissen soll.
Dieser Plot klingt eigentlich vielversprechend, klingt spannend. Doch leider ist die Erzählweise sehr langatmig, sehr dröge. Es wird viel philosophiert, es wird viel erinnert, gegrübelt. Alle ergehen sich in irgendeiner Weise in Selbstvorwürfen, in Selbstzerrissenheit, ohne an einem Ziel anzukommen. So war mir der Roman schließlich zu düster, zu handlungsarm, voller Wiederholungen, Abschweifungen und voller blasser Nebenfiguren.
Die Dialoge empfand ich als leblos, sie wirkten mehr wie Smalltalk als wie echte Gespräche. Das, was am Ende wirklich in diesem Roman geschieht, hätte eine fesselnde, pointierte Kurzgeschichte ergeben, für einen ganzen Roman war es mir zu wenig. Dazu die in Perspektiven gegliederte Erzählweise, die mir den Zugang zu den Figuren erschwerte.
So konnte mich der Roman leider nicht erreichen.
Jane Campbell – Bei aller Liebe
aus dem Englischen von Bettina Abarbanell
Kjona, August 2024
Gebundene Ausgabe, 222 Seiten, 24,00 €
Diese Rezension wurde verfasst von Rena Müller.