Eigentlich doch eine schöne Idee: die alten Studienfreunde und ihre Familien einzuladen über ein langes Wochenende. Man hat sich lange nicht gesehen. Max und Annie haben vor einiger Zeit ihr renommiertes Architekturbüro in London aufgegeben, um mit ihrem 12-jährigen Adoptivsohn Kip in Cornwall, in der Natur, ein neues Leben anzufangen. Ihr neues Projekt ist ein luxuriöser Campingplatz, den sie an diesem Wochenende ihren Freunden vorstellen wollen. Kira, Dominic, Jim und Suze haben zu Studienzeiten mit Max und Annie in einer gemeinsamen WG gewohnt, sind seitdem befreundet.
Außerdem sind natürlich Tanya und Fred eingeladen, – die zweite Frau von Dominic und Kiras neuer Partner. Ebenso selbstverständlich die Kinder. Schon am ersten Abend gibt es Streit am Lagerfeuer. Phoebe, die jüngste Tochter von Dom, hat Kip ein Marshmallow geklaut, was diesen aus der Fassung bringt. Kip ist besonders. Er ist Fremden gegenüber scheu, in sich gekehrt, zurückgezogen und kann mit Unvorhergesehenem nicht gut umgehen. Seit sechs Jahren lebt er bei Max und Annie. Endlich Pflegeeltern, die ihm wirklich das Gefühl geben, willkommen zu sein und zu ihnen zu gehören. Als die Situation eskaliert, weil Dominic ausrastet, verschließt sich Kip total.
Annie und Max kommen kaum noch an ihn ran. Die Stimmung kippt, wird angespannt. Richtig schlimm wird es allerdings am nächsten Tag, als in einem schweren Unwetter die Kinder nicht vollzählig vom Spielen im Wald zurückkommen. Die Väter hatten versprochen, aufzupassen und haben erlaubt, dass die Kinder alleine losziehen. Die Nerven liegen bei allen blank. Eine Suchaktion wird gestartet, die zunächst im Sande verläuft. Hilfe kann nicht gerufen werden, der Strom ist ausgefallen, die Straßen sind durch umgestürzte Bäume versperrt.
Alleine in völlig unbekanntem Gelände
Die Freunde sind auf sich alleine gestellt. In völlig unbekanntem Gelände, an der Steilküste, im Unwetter. Angespannt beschreibt den Zustand nicht mehr annähernd. Unangenehme Gespräche werden geführt, Wahrheiten kommen ans Licht, von denen keiner erfahren sollte. Geheimnisse werden aufgedeckt und tun der Freundschaft keineswegs gut. Phoebe, das vermisste kleine Mädchen, wird gefunden. Unverletzt. Der Albtraum hat damit aber alles andere als ein Ende. Jemand spielt ein perfides Spiel mit der Gruppe. Warum? Mit welchem Zweck?
Was hält Freundschaft aus? Wieviel Geheimnis kann sie ertragen und wieviel unangenehmen Wahrheit? Wie weit geht man als Mutter, um sein Kind zu schützen? Wem kann man trauen? All das sind Fragen, die hier angesprochen werden.
Vielleicht etwas überzogen, aber spannend
An der ein oder anderen Stelle vielleicht ein bisschen überzogen, aber absolut spannend. Fesselnd, emotional, verstörend und abgründig. Gut gezeichnete, sehr unterschiedliche Charaktere, geschickt gespielt mit den Zeitebenen Wochenende vor Ort und Befragung durch die Polizei am Sonntag und Montag. Die Spannung bleibt erhalten bis zum Schluss. Als Leser weiß man bis zum Schluss eben auch nicht, was genau passiert ist.
Hannah Richell: Das Wochenende: Vier Familien. Drei Tage. Ein Sturm, der alles verändert.
Aus dem Englischen übersetzt von Sabine Längsfeld
Rowohlt, Dezember2024
432 Seiten, Paperback, 18,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.