Schon die beiden im letzten Jahr erschienenen Kriminalromane des argentinischen Autors haben mir sehr gut gefallen. Doch dieser neue toppt die anderen sogar noch. Die Erzählweise, die altmodisch-fesselnde Handlungsstruktur, die geheimnisvollen Figuren – all das passt perfekt und ergibt einen hochspannenden Krimi.
Der Ich-Erzähler ist Schriftsteller, noch am Anfang seiner Karriere. Als er wegen eines gebrochenen Arms eine Schreibkraft einstellen muss, engagiert er die junge Luciana, Studentin und normalerweise für den berühmten Kriminalschriftsteller Kloster tätig. Doch dieser ist gerade auf mehrwöchiger Reise, so dass Luciana dem Erzähler – der den ganzen Roman über namenlos bleibt – aushelfen kann. Er verfällt im Laufe der kurzen Wochen, die Luciana für ihn arbeitet, ihrer Schönheit, doch im Grunde geschieht nicht viel mehr als ein kurzer Kuss. Danach verlieren sie sich aus den Augen.
Zehn Jahre später jedoch kontaktiert Luciana ihn erneut und bittet um ein Treffen. Als er sie wiedersieht, ist er entsetzt von ihrem Aussehen. Völlig verstört, frühzeitig gealtert und abgemagert erscheint sie. Und sie erzählt von den Geschehnissen der vergangenen Jahre, wie ihre Familienmitglieder nacheinander verstarben, teils unter mysteriösen Umständen.
Wir erleben die gesamte Geschichte anhand dieser Erzählung Lucianas, lesen die Kommentare, die Zweifel des Erzählers an den Schlüssen, die Luciana aus den Zusammenhängen zieht – sie glaubt, dass Kloster hinter den Todesfällen steht, der sich an ihr für eine Anzeige wegen sexueller Übergriffe rächen wolle.
So ganz kann sie den Erzähler, den sie um Hilfe bittet, nicht überzeugen. Er sucht daher den Beschuldigten, den von ihm halb bewunderten, halb verachteten Autor Kloster, selbst auf. Auch dieser erzählt nun seine Version der Ereignisse.
Danach nimmt die Geschichte nochmal erheblich Fahrt auf, um in einem furiosen Finale zu enden.
Diese Methode, einen Kriminalroman in Rückblicken, in Form von Berichten der Beteiligten zu erzählen, wirkt auf den ersten Blick altmodisch, aus der Zeit gefallen, umständlich. Aber hier schafft es Guillermo Martinez gerade auf diese Weise, eine fast greifbare Spannung zu erzeugen, man verschlingt die Seiten, versucht, hinter die Fassaden der Berichtenden zu schauen, nur um zu erkennen, dass man nichts erkennt, dass man nicht imstande ist, den Fall zu lösen.
Dabei ist der Stil von Martinez im Grunde sehr geruhsam, es gibt keine hektischen Actionszenen, keine Verfolgungsjagden und keine Tötungsszenarien. Allerdings auch keine ständigen Handytelefonate, ohne die heutzutage kein Krimi mehr auszukommen scheint.
Die Romane von Guillermo Martinez sind feine, geschliffene und brillante Krimijuwelen.
Guillermo Martinez: Der langsame Tod der Luciana B..
Aus dem Spanischen übersetzt von Angelica Ammar.
Eichborn, April 2021.
224 Seiten, Taschenbuch, 16,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.