Lügen und negative Emotionen gibt es in Sestiby, dem letzten belebbaren Raum auf der Erde, nicht mehr. Dank Ernest Sestiby, dem Gründer des Staates, herrscht vollkommener Frieden, denn jeder Bürger nimmt das von ihm erfundene Medikament Veritas, das dazu animiert, in jeder Situation die Wahrheit zu sagen. Es geht sogar so weit, dass im Hals ein Brennen entsteht, antwortet man nicht schnell genug auf eine Frage.
In dieser perfekten, friedlichen Welt lebt Mae und Mae hat ein Problem: Sie fühlt all diese negativen Emotionen, die es in ihrer Gesellschaft nicht mehr gibt. Sie ist eifersüchtig auf das Mädchen, das ihrem Freund schöne Augen macht und sie ist wütend, als er sie für die andere verlässt. Sie schreit den mysteriösen Typen mit den eisblauen Augen an, als er sie anrempelt und ihren Kopfhörer zertritt. Misstrauen, Neid, Wut – das sind Emotionen, die in Maes Welt nur die Liar haben, die Menschen, die den Staat und den Frieden bedrohen und dafür gejagt werden.
Aber Mae ist kein Liar. Sie kann nichts dafür, dass sie Dinge fühlt, die sie nicht fühlen sollte. Und ihr ist nur zu bewusst, in welcher Gefahr sie sich deshalb befindet.
Als sie für zwei Monate mit anderen Teenagern in ein Camp der Regierung geschickt wird, um durch Analysen den perfekten Partner zu finden, trifft sie erneut auf den mysteriösen Fremden mit den eisigen Augen und muss feststellen, dass er vielleicht der einzige auf der Welt ist, der sie versteht. Aber kann sie ihm vertrauen, nachdem sie gehört hat, wie er eine Lüge ausspricht?
Ein unglaublich fesselndes und einfach spannendes Buch! Die Autorin schließt von der Dystopie-Thematik an ihre Reihe „Gameshow“ an, findet hier jedoch noch ein bisschen mehr in ihren eigenen Stil und gibt uns ein düsteres Zukunftsszenario, das wir so noch nicht kennen. Es gibt zwar ein paar Parallelen zu anderen erfolgreichen Werken des Genres, dennoch hat man beim Lesen das Gefühl, etwas komplett Neues zu bekommen – und es lohnt sich! Locker geschrieben, mit Charakteren, in die man sich ab der ersten Seite einfühlen kann und mit einer durchdachten Story, die vor allem durch ihre nebensächlichen Details besticht: Wer denkt schon daran, dass keine Bücher mehr vorgelesen werden können, wenn man nicht mehr lügen kann? Dass es keine Kreativität, kein Theater, keine Kunst mehr gibt, die etwas anderes als die Realität zeigen?
Ein Leseerlebnis, für das man sich ein paar Nachmittage freinehmen muss – weglegen ist keine Option!
Es soll eine Trilogie werden und endet dementsprechend mit einem fiesen Cliffhanger. Außerdem muss gesagt werden, dass es zu gewaltsamen Szenen kommt und dementsprechend kein Buch für jüngere Jugendliche ist.
Für ältere Jugendliche und junge Erwachsene ist es der perfekte Dystopie-Roman. Unbedingt lesen!
Franzi Kopka: Honesty: Was die Wahrheit verbirgt.
Fischer Sauerländer, Februar 2024.
480 Seiten, gebundene Ausgabe, 19,90 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Isabella M. Banger.