Prinzessinnen sollten hübsch, nett und zurückhaltend sein – so zumindest die landläufige Meinung. Nun, Elodie von der kargen, verarmten, ja hungernden Insel Inophe entspricht, zum großen Leidwesen ihrer Stiefmutter, aber auch gar nicht diesen Erwartungen. Sie klettert auf Felsen, fällt auch gerne einmal in eine Felsspalte, reitet wie der Wind über die Dünen und trägt – ein Skandal – Hosen unter ihrem Rock! Damit noch nicht genug, hat sie von den die Insel besuchenden Seefahrern, deren Idiom gelernt, weiß mit ihren Sextanten aus Haarnadeln den Standort zu bestimmen – ich denke, sie sehen das Bild? Ein Wildfang mit dem Herz auf dem rechten Fleck.
Dass sie für ihre Untertanen jedes Opfer bringen würde, sei noch erwähnt, da taucht am Horizont die Rettung für die darbende Bevölkerung auf. Prinz Henry von dem reichen Königreich Aurea hält um ihre Hand an. Als Brautgeschenk winkt die Versorgung der hungernden Bevölkerung ihrer Heimat. Dazu scheint der Prinz noch feinsinnig, einfühlsam und wahrlich anschaulich zu sein – also gemacht, Elodie reist, begleitet von ihrer Familie zur Hochzeit.
In der Hochzeitsnacht aber werden die Matratzen nicht benutzt – stattdessen opfert ihr Gemahl Elodie, mit Wissen und Zustimmung ihres eigenen Vaters, einen Drachen. Es gilt, einen uralten Pakt zu erfüllen – die Früchte der ertragreichen Insel im Austausch für 3 Prinzessinnen – und Elodie ist eine von diesen Dreien.
Doch so einfach lässt sich unsere toughe Frau nicht unterkriegen – was sowohl der Drache als auch ihr Bräutigam schmerzhaft lernen müssen
Was ist das für ein Einzelroman, den uns Heyne hier vorstellt?
Ein Band, der zu einer Netflix-Produktion nach dem entsprechenden Drehbuch verfasst wurde. Ein Werk, das mit bekannten Fantasy-Versatzstücken spielt, dabei munter und durchaus unterhaltsam und temporeich voranstürmt und sich angenehm, ohne großen Tiefgang liest.
Dabei erwartet den Rezipienten (m/w/d) nichts wirklich Neues. Die starke weibliche Hauptfigur, die sich mit Witz und Verve aus der Situation windet, nein eher katapultiert, dazu (ein) Drache, Adelige, die sich um ihre Untertanen sorgen, kennen wir aus anderen Bänden. Doch die Mischung stimmt. Ja, es geht recht oberflächlich zu, die Charaktere bleiben flach, die Bühne, auf der alles arrangiert ist, ist diffus, doch der Unterhaltungswert ist durchaus markant.
Insoweit also ein Buch, das man gut auf einer langen Zugfahrt goutieren kann, das die Zeit angenehm vertreibt und uns ein wenig vom Alltag ablenkt.
Evelyn Skye: Damsel – Der Pfad des Feuers
aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Nina Lieke
Heyne Verlag, Dezember 2023
414 Seiten, gebundene Ausgabe, 24,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.