Eva Maria Bast: Queen Mum

Der Roman beleuchtet zwar nur einen kurzen Abschnitt ihrer Biographie – von der Zeit kurz bevor ihr Ehemann Albert die Krone übernehmen musste bis zum Ende des 2. Weltkrieges. Dennoch vermittelt er einen guten Eindruck von der Frau, die wir als „Queen Mum“ erinnern.  Sie muss eine starke, interessante Frau gewesen sein. Die meisten wissen wahrscheinlich so ungefähr ein bisschen was über sie. Die Mutter von Queen Elizabeth II. eben, und vielleicht noch, dass sie ganz gerne Gin gemocht, auf allen Fotos, die es von ihr gibt, immer freundlich gelächelt hat und noch nicht so sehr lange tot ist.

Na ja, gestorben ist Elizabeth-Angela Marguerite Bowes Lyon am 30. März 2002 – ist doch schon einige Zeit her. Geboren wurde sie im August 1900. Bei den Briten war Queen Mum äußerst beliebt, lange Zeit war sie das beliebteste Mitglied der Royal Family, sie galt als immer gut gelaunt, sympathisch und unverwüstlich. Sechzehn Jahre lang saß sie an der Seite ihres Mannes, King George VI., auf dem britischen Thron.

Sie war seine wichtigste Stütze und Beraterin. Sie gab ihm Halt und Sicherheit. Für Albert, der als König den Namen George, wie sein Vater vor ihm, wählte, war die Übernahme der Regentschaft eine schwere Bürde. Niemals hätte er gedacht, dass er König werden würde, nachdem George V. verstorben war. Als Thronfolger ging die Krone an Alberts älteren Bruder David, der den Namen Edward VIII. wählte. Im Gegensatz zu Albert war David schon von kleinauf darauf vorbereitet worden, eines Tages König zu werden, doch seine Regentschaft war nicht glücklich. Schon bevor sich überhaupt die Frage stellte, sorgte er für Aufsehen und Schlagzeilen durch seine Liaison mit der zweimal geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson. Nicht nur seine enge Familie war entsetzt, auch die Briten waren gespalten.

Während es – durchaus auch in der Regierung, so z.B. zu Anfang der damalige Abgeordnete Winston Churchill – Stimmen gab, die ihm seine Liebe gönnten und nicht verstanden, warum das ein Problem sein sollte, war doch ein Großteil der Bevölkerung gegen diese Verbindung. Als David nun den Thron besteigen sollte, stand er vor einer äußerst schweren und schwerwiegenden Entscheidung. Obwohl er nicht einsehen wollte, warum es nicht möglich sein sollte, Wallis zu heiraten und dennoch König zu werden, er zog die Lösung einer morganatischen Ehe in Betracht, verstand er doch, dass es äußerst schwierig für ihn wie auch für das Land werden würde. So entschloss sich Edward VIII. abzudanken. Damit wurde Albert, der nächste in der Thronfolge, zum britischen König. Eine Bürde, an der er schier zu verzweifeln drohte. Doch Elizabeth, wie auch seine Mutter Mary, bestärkten ihn in allen Belangen. Sein großes Problem war sein Sprachfehler, der allgemein bekannt war. Immer wenn Albert in der Öffentlichkeit reden sollte oder nervös war, fing er an zu stottern. Doch auch das bekam er mit professioneller Hilfe und Elizabeth‘ Zuspruch in den Griff.

Seine Thronrede, seine erste Ansprache im Radio und andere verliefen fehlerfrei. George VI. wurde ein beliebter und in seiner Heimat wie im Commonwealth geachteter Regent. Seine Beliebtheit ist nicht zuletzt auch seiner Ehefrau und Königin, eben Elizabeth zu verdanken. Mit ihrer Zugewandtheit, Freundlichkeit, dem Gespür für die Sorgen der Menschen und ihrer Gabe, zuzuhören, war sie schon früher, nicht erst als Königin beim Volk äußerst beliebt. Sie hatte den Blick für das Wesentliche, ohne das Menschliche aus den Augen zu verlieren. Sie war so etwas wie das Bindeglied zwischen Regierung und Monarchie, sie konnte lenken, ohne sich einzumischen, zwischen den Zeilen lesen und Zusammenhänge erfassen und „übersetzen“. Und das nicht nur in den Belangen der Monarchie, auch in der Familie war Elizabeth diejenige, die oft mit ihrem diplomatischen Geschick vermittelte, sie hielt die Familie zusammen und schaffte es, auch als Königin „usfor“, wie Albert ihre kleine Familie immer nannte, nicht dem strengen Protokoll zu opfern, sondern mit Liebe und Verständnis auch für ihre Töchter und ihren Ehemann da zu sein. Ihre kleine Familie war ihr ebenso wichtig wie ihrem Mann.

Der Roman beschreibt ihre Zeit als junge Ehefrau und Mutter, als Schwiegertochter von King George V. und seiner Ehefrau Mary, die mit ihrem freundlichen Wesen alle im Palast verzaubert über die Zeit zwischen dem Tod ihres Schwiegervaters und der Thronbesteigung ihres Mannes als George VI.. Die schwierige Zeit bis zur Abdankung ihres Schwagers und ihre ersten Jahre als Königin an der Seite ihres Mannes. Eine Frau, die Brücken schlägt zu wichtigen Verbündeten gegen die aufstrebenden Nationalsozialisten in Deutschland, die mit ihrem Wesen schafft, was Politik alleine vielleicht nicht vermocht hätte. Eine Frau, die ganz klar sieht, was um sie herum passiert und was das für ihr Land und das Commonwealth bedeutet. Eine Frau, die sich im Krieg engagiert, die nicht wegschaut, sondern anpackt und immer das Wohl anderer über ihr eigenes stellt. Eine Frau, die gleichzeitig eine gute, liebevolle Mutter war, ihren Töchtern ein Vorbild und sich immer ihrer besonderen Rolle als Führungspersönlichkeit, als öffentliche Person bewusst.

Die Autorin musste sich bei ihrer Recherche auf historische Dokumente verlassen, gekannt hat sie Queen Mum natürlich auch nicht persönlich. Dennoch gelingt es ihr, die Geschichte dieser Frau, die sehr jung in eine Rolle gezwungen wurde, die sie niemals wollte, sehr anschaulich und lebendig zu erzählen. Flüssig und spannend und realitätsnah. Die führenden Politiker, mit denen Elizabeth damals in Kontakt kam, sei es das französische Präsidentenpaar oder das amerikanische oder auch andere namhafte Politier ihrer Zeit, sind nicht länger Namen (und Daten) aus dem Geschichtsbuch. Hier bekommen sie ein Gesicht.

Eva Maria Bast: Queen Mum
Piper, August 2024
423 Seiten, Paperback, 15,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..