Thomas Vanderra ist unsterblich. Das heißt seine Seele ist unsterblich. Und nur, weil er sich bei der GESELLSCHAFT® eingekauft hat. Einer mächtigen Organisation, die inzwischen schon Kunden in Millionenzahl hat und die Reincarnationsmedizin betreibt. Bei diesen Kunden wird in regelmäßigen Abständen ein Gehirnscan durchgeführt, ein Abbild des augenblicklichen Seelen- und Wissenstandes, das im Falle eines plötzlichen Todes dem mit medizinischer Kunst geheilten Körper wieder aufgespielt wird. Ein eingespieltes Expertenteam sorgt dafür, dass der Reincarnierte den Anschluss an sein altes Leben wiederfindet.
Thomas ist glücklich, dass seine Wiedergeburt geklappt hat. Nur, wer ist diese Frau, die ihn Leon nennt? Und sein Körper ist so anders, seine Hände so groß, seine Stimme, nein, das ist nicht seine Stimme. „Es wird alles gut“ beruhigen ihn seine Ärztin, seine Hypnotherapeutin, seine Angehörigen. Er müsse nur Geduld haben. Er will sie nicht, diese neue Familie, die nicht seine ist, diese üppige Frau, diesen unsympathischen Vater, diesen schmächtigen, schweigsamen Sohn. Er ist nicht Leon!!
Aber wenn er nicht im richtigen Körper steckt, wo ist denn dann sein Körper? Und was werden sie mit ihm machen, wenn er den Irrtum aufklärt? Werden sie ihn einfach entsorgen? Nein, er beschließt das Spiel mitzumachen und der andere zu sein. Dessen Leben zu leben. Bis ihn die Sehnsucht nach seinem alten Leben zurücktreibt. Dort trifft er den anderen, der auch er ist. Thomas Vanderra.
Der Zwilling ist ein faszinierendes Werk. Das Wissen, dass Gedanken, seelische Vorgänge. Einfach alles in unserem Leben gespeichert wird wie in einem riesigen Computer, weitergedacht: wenn dieses Wissen abgefragt werden kann wie ein anderes Speichermedium, dann wäre die Information eines Menschen immer wieder abrufbar. Dass hier auch eine Verwechslung wie eine Fehlschaltung passieren kann, ist glaubhaft und spannend geschildert. Wir erleben als Leser diesen Menschen, der aussieht wie Leon, aber der Thomas ist. Wir stecken die ganze Zeit in ihm und spüren seine Zweifel und Nöte. Wir leiden mit ihm in seinem Dilemma zwischen Ehefrau, Geliebter, seinem ehemaligen Ego Thomas II und seiner Sehnsucht nach seiner Freundin Franka. Wir erleben auch seinen neuen Vater, der sich ebenfalls in der GESELLSCHAFT® eingekauft hat, der sogar schon einen Inder reserviert hat, der ihm einst seinen jüngeren Körper leihen wird.
DERHANK ist mir schon durch mehrere Werke bekannt, die durch lebendige und intensive Schilderungen den Leser gefangen nehmen. Auch in diesem Roman, der ein wahrhaft schwergewichtiger ist (610 Seiten), wird man auf die Gedankenreise mitgenommen und gefesselt. Auch wenn einzelne Teile des Werkes etwas schwerer verdaulich sind, wie der Vortrag von Dr. Phil, der sich von den Anfängen des Seins bis zu den xten Dimensionen des Alls bewegt, so sorgen auch hier die hervorragenden erzählerischen Fähigkeiten des Autors, diesen Exkurs zu genießen. Viele witzige und abstruse Episoden lassen einen immer wieder schmunzeln.
Wer möchte nicht dereinst unsterblich sein. Dieser Roman ist wie eine Machbarkeitsstudie. Mit allen Für und Wider, die dabei auftauchen, und den Komplikationen, die damit einhergehen können. Etwas abgedreht, aber gut.
DERHANK: Der Zwilling.
LSD – Literarische Sammlung DERHANK , Dezember 2015.
620 Seiten, Gebundene Ausgabe, 21,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Eva Encke.
Hört sich interessant an. Erinnert mich ein wenig an „Andersen“ von Charles Lewinsky.