Kindesmisshandlung ist immer noch ein Tabuthema in Deutschland. Mit „Nicht auf den Kopf“ gibt Markus Breitscheidel den vielen anonymen Betroffenen – jedes Jahr nehmen Jugendämter 45.000 Kinder aufgrund von Gewalt in der Familie in Obhut – ein Gesicht. Über Jahre hinweg waren er, seine Brüder und seine Mutter der Brutalität des Vaters ausgesetzt. Die Angst vor dessen Gewaltausbrüchen begleitete ihn seine gesamte Kindheit und Jugend. Und es gab keine Hilfe, denn Familie und Schule, Ärzte und Nachbarn – sogar ein Pfarrer, dem er sich anvertraute – schauten weg.
Beim Lesen stockte mir angesichts so viel schonungsloser, brutaler Gewalt oft schlichtweg der Atem. Und seine Schilderungen hinterließen mich wütend – auf sein gesamtes Umfeld, allesamt Erwachsene, die ihn aus seinem Martyrium hätten befreien können, aber es einfach ignoriert haben. Umso bewundernswerter, wie sich der Autor selbst trotz all der Widerstände entwickelt hat, zu wie viel Empathie er in der Lage war, besonders in Hinblick auf seinen besten Freund Michael.
„Nicht auf den Kopf“ sollte als Standard-Lektüre jedem Lehrer, Kindergärtner oder Jugendarbeiter – nein, eigentlich jedem Erwachsenen – empfohlen werden. Denn nur, wenn immer mehr Menschen aufgerüttelt und für dieses Thema sensibilisiert werden, kann den vielen geschundenen Kinderseelen geholfen werden. Hilfreich ist dabei auch das Nachwort vom Deutschen Kinderschutzbund (DKSB), das Empfehlungen gibt, was bei Verdacht auf Kindesmisshandlung zu tun ist.
Markus Breitscheidel: Nicht auf den Kopf!: Meine persönlichen Erfahrungen mit Gewalt in der Familie.
Econ, Februar 2016.
208 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Nadine Roggow.