David M. Barnett: Miss Gladys und ihr Astronaut

Gladys ist um die 70 Jahre alt und manchmal etwas vergesslich, zugegeben, vielleicht sogar schon sehr vergesslich. Ihr Sohn befindet sich zurzeit im Gefängnis, deswegen muss die alte Frau sich um ihre beiden Enkel, die 15-jährige Teenagerin Ellie und den 10-jährigen James kümmern. Dass eigentlich Ellie den Haushalt schmeißt und sogar schwarzarbeiten geht, um die kleine Familie über Wasser zu halten, darf niemand wissen. Deswegen hält Ellie in der Schule Abstand. Doch James wird von seinen Klassenkameraden gemobbt und seine Eltern sollen zum Gespräch in die Schule kommen. Wie löst man dieses Problem?

Astronaut Thomas Major hat ganz andere Probleme. Er sitzt im Raumschiff auf einer Marsmission, ihm ist langweilig und er möchte mit seiner Exfrau telefonieren, die er umständehalber leider niemals mehr echt und in Farbe sehen wird. Denn die Marsmission ist eine Mission ohne Rückticket. Er soll auf dem Mars alles vorbereiten für eine Crew, die in vielen Jahren anreise wird. Nun aber hat er Sehnsucht nach seiner Frau, pardon, Exfrau. Doch als er ihre alte Nummer mit dem Satellitentelefon wählt, geht Gladys dran, die glaubt, Thomas wäre ein Versicherungsvertreter, der ihr wieder irgendwas verkaufen will. Doch zwischen den beiden entspinnt eine wunderbare Freundschaft – dabei will niemand Gladys glauben, dass sie mit dem Astronauten aus dem Fernsehen telefoniert hat!

„Miss Gladys und ihr Astronaut“ ist ein herrliches Buch! Die Geschichte ist so goldig gestrickt, man muss die Figuren einfach mögen. Anfangs geht es viel um Tom, der nun wirklich kein sympathischer Geselle ist. Auf der Erdstation macht er sich keine Freunde, weigert sich, Anweisungen auszuführen und er hat ganz sicher nicht vor, auf dem Mars auch nur irgendeinen Finger zu rühren. Die Mission war für ihn lediglich eine gute Möglichkeit, der Erde zu entkommen. Mit Menschen hat er es irgendwie nicht so. Und dann lernt ausgerechnet er Gladys und ihre schrille Familie kennen und später lieben. Und selbst als Leser oder Leserin kann man gar nicht anders. Anfangs weiß man natürlich nicht, was in der Familie so los ist. Zwei Kinder, eine tattrige Oma – das soll’s gewesen sein? Doch nach und nach kommen die Hintergründe ans Licht und diese drei Menschen wachsen einem ans Herz. „Miss Gladys und ihr Astronaut“ verbirgt eine ganz wunderbare Geschichte.

Das Lesen macht nach anfänglichen Schwierigkeiten, die vor allem in Toms eher negativer Einstellung resultieren, wirklich Spaß und die Lesezeit vergeht wie im Flug. Am Ende möchte man die Figuren gar nicht gehen lassen und wünscht sich, es ginge noch lange weiter mit den Kapiteln. Der Schreibstil in der Übersetzung von Wibke Kuhn (verantwortlich unter anderem auch für „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“) ist gut zu lesen und eingängig. Bisher schrieb der Autor Fantasyromane, nun diesen Unterhaltungsroman und bald schon will er laut Verlagsinformation „gehobene Unterhaltung“ schreiben. Einen Literaturnobelpreis erhält „Miss Gladys und ihr Astronaut“ sicher niemals, gute Unterhaltung ist es aber so schon.

Alle Daumen nach oben für eine unterhaltsame und ungewöhnliche Geschichte über vier besondere Menschen. Unbedingt lesen!

David M. Barnett: Miss Gladys und ihr Astronaut.
Ullstein, Mai 2018.
416 Seiten, Taschenbuch, 15,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.